Toskana 6(8)

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Montag, 20.06.05: Pisa

In Pisa waren wir schon einmal. Aber im Gegensatz zu damals, wo die Zukunft des Turms noch in den Sternen stand, kann er heute wieder besucht und auch erklommen werden. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. In der Nähe der "Piazza dei Miracoli", dem "Platz der Wunder", gibt es einen großen Parkplatz, das war schon vor 10 Jahren so.

Der Platz der Wunder ist nur ein paar Meter entfernt. Ähnlich wie in Florenz gibt es auch hier den Dom, das Baptisterium (die Taufkirche ist mit ihren 107 Metern Umfang die größte ihrer Art weltweit) und – natürlich – den schiefen Turm, der hier kein "klassischer" viereckiger Campanile ist, sondern ein runder Glockenturm.

Er wurde von 1173-1350 errichtet und war quasi von Anfang an schief. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass der Turm etwa in der Mitte einen "Knick" hat. Denn schon fünf Jahre nach Baubeginn begann sich der Turm, bereits drei Stockwerke hoch, zu neigen. Dummerweise hatten die Baumeister den Turm auf einem puddingweichen Boden errichtet: Schwemmland vom Fluss Arno, das auf einer mächtigen Tonschicht liegt, hielt dem Druck der Fundamente nicht stand. Und so dämmerte der schiefe Stumpf nach Abbruch der Arbeiten als Bauruine 100 Jahre lang vor sich hin. Scheinbar hatte sich im Lauf der Zeit der Untergrund beruhigt, sodass die Arbeiten wieder aufgenommen werden konnten. Um die Neigung auszugleichen, wurden die oberen Stockwerke so konstruiert, dass sie sich der Schieflage entgegen lehnten. Auf sieben Stockwerke war er nun angewachsen, als nach sechsjähriger Bauzeit der Boden ein weiteres Mal kräftig nachgab. Und wieder neigte sich der Turm zur Seite! Und wieder ruhte der Bau 100 Jahre lang! Einzig die Glockenstube fehlte ihm noch. Und im Jahr 1378 bekam der schiefe Turm schließlich die Krone aufgesetzt. Mit seinen stolzen 55 Metern Höhe war er lange Zeit das höchste Bauwerk Italiens. Im Mittelalter zog er bereits viele Schaulustige und Touristen an, die die einzigartige Erscheinung bestaunten.

Ich fand übrigens die Rettungsgeschichte des schiefen Turms von Pisa hochinteressant.

Der Turm gehört laut ADAC zu den meist besuchten Bauwerken der Welt. Und das spürt man hier auch: Es wimmelt geradezu von Amerikanern und Japanern. Man hört überhaupt kein Italienisch mehr. Die Piazza ist mit den unzähligen Souvenir-Buden ziemlich verunstaltet. Das hat uns schon damals gestört, und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Hier werden mir alle 5 Minuten Breitling-Uhren für 50$ angeboten.

Wir zögern zwar erst, ob wir eine Turmbesteigung machen oder nicht, einerseits wegen des Preises von 15€ pro Person und andererseits wegen der Wartezeit von 90 Minuten, aber die Turmbesteigung ist ein echtes Erlebnis. Die Touristen werden nur noch in Gruppen von rund 20 Personen auf den Turm gelassen. Es befinden sich immer 2 Gruppen auf dem Turm, die sich auf den vier verschiedenen Ebenen verteilen. Während die Gruppe vor uns noch ganz oben die Aussicht genießt, müssen wir auf der Ebene 2 warten, bis die Vorgängergruppe wieder nach unten geht. Das ist richtig durchdacht. Besonders interessant ist, dass man die Schräglage des Turms während der Besteigung nach oben deutlich spürt. Man sieht ja keine "Außenwelt" und kann sich auch am Horizont nicht orientieren, aber man merkt sehr deutlich, dass man sich selbst auf der einen Seite des Turms nach rechts, auf der anderen Seite nach links neigt. Es seltsames Gefühl. Später beim Heruntersteigen sieht man sogar an den Austretungen der Marmorstufen, zu welcher Seite sich der Turm neigt. Auf der einen Seite sind die Marmorstufen an der Außenseite ausgetreten, auf der anderen Seite auf der Innenseite.

Auch der Blick in den Glockenturm und auf die Piazza ist schon etwas besonders. Fast fühle ich mich wie Galileo Galileo, der hier seinerzeit (irgendwo habe ich mal gelesen, dass das eine erfundene Geschichte eines seiner Schüler ist) stand und auf der geneigten Seite des Turms seine berühmten Gravitationsversuche machte. Insgesamt ist alles sehr, sehr sauber hier. Jede Menge Guides im Turm und auf der Piazza sind permanent auf der Suche nach herumfliegendem Papier.

Der "Rest" von Pisa ist irgendwie nicht besonders attraktiv. Das empfanden wir vor 10 Jahren schon so.
 

Dienstag, 21.06.05: Siena bis Montichiello

Die Stadt auf den 3 Hügeln ist heute unser Ziel. Wir fahren eine bisher unbekannte Landstraße Richtung Siena. Im Gegensatz zu neulich ist es heute eine tolle Straße. Macht Spaß, hier zu fahren.

Als wir in Siena aus der Tiefgarage herauskommen, spricht uns unvermittelt eine Frau an, erst italienisch, dann englisch, dann schließlich deutsch. Sie macht uns darauf aufmerksam, dass sich genau unterhalb des Parkhauses eine Osteria befindet und lädt uns freundlich ein, sie dort doch mal zu besuchen. Prompt frage ich sie, ob sie hier Werbung für ihr eigenes Geschäft macht, was sie bejaht. So unterhalten wir uns ein paar Minuten mit ihr. Auf meine neugierige Frage erfahren wir noch, dass sie den Koch geheiratet hat und deshalb heute in Siena eine Osteria betreibt.

Wenn man hier seine Ohren aufsperrt, dann hört man auch in Siena kein Deutsch, ja sogar kaum einmal Italienisch. Hier ist es international. Außer in Pisa haben wir nirgends so viele Amis und Japaner gesehen und gehört wie hier.

Ja, und nun sind wir in der Stadt auf den 3 Hügeln, Siena, die Stadt der Toskana, die unter Italien-Kennern als die schönste Stadt des Landes gilt und die im Gegensatz zur Renaissance-Metropole Florenz die "Stadt der Gotik" ist. Viel verstehen wir ja nicht davon, aber die gotischen Rundbögen an vielen Gebäuden bleiben selbst uns nicht verborgen. Die 3 Hügel sind: Terzo di Carniolla, Terzo di San Martino und Terzo di Citta. Im gemeinsamen Schnittpunkt, an der tiefsten Stelle, bilden sie den berühmten Platz "Piazza del Campo". Das überwiegend rote Siena mit seinen aus Backsteinen erbauten Palästen, Kirchen, Wohnhäusern und Brunnen ist über die Jahrhunderte hinweg fast unversehrt geblieben, es ist fast wie ein Museum.

Wir kommen als erstes an der Kirche San Domenico, einem schmucklosen Backsteinbau, vorbei. Er entpuppt sich erst nach dem Weitergehen als Kirche, da er auf einem Felsen thront. Im Inneren findet man sehenswerte Fresken aus dem Leben der hl. Katharina von Siena und deren Reliquienschrein. Und bereits ein paar Meter weiter stehen wir unversehens auf der Piazza del Campo. Das ist der große Platz mit dem Rathaus und dem hohen Turm, dessen Bilder man von Fotos kennt, auch, wenn man noch nie hier war. Hier findet auch 2 x jährlich (am 2. Juli und am 16. August) das "Palio", das legendäre Pferderennen statt.
 

Der Boden dieses muschelartigen Platzes besteht aus einem Fischgrätenmuster aus roten Backsteinen. In den umliegenden gotischen Palästen findet man teils sehr teure Cafes und Restaurants. Aber heute ist hier Ruhe angesagt, keine Pferderennen. Der Platz ist fast leer, nur die Restaurants ringsherum sind gut besucht. Auf der einen Seite des Platzes befindet sich auch das Rathaus. Dieser "Palazzo Pubblico" wurde Ende des 13. Jahrhunderts begonnen und in mehreren Etappen fertiggestellt. Der 102 Meter hohe Turm, der "Torre del Mangia" steht zwar an der tiefstgelegenen Stelle Sienas, dennoch überragt er alle anderen Türme der Stadt, auch den des Domes. Spätestens seit San Gimignano wissen wir, dass man das als wohlüberlegte Demonstration weltlicher Macht gegenüber der Kirche verstehen darf!

An der höchsten Stelle der Stadt erhebt sich der Dom, der "Duomo Santa Maria", imposant in den Himmel. Sein Bau begann im Jahr 1210. Das Gotteshaus hat durch die für eine Kirche ungewöhnlich reiche Ausstattung fast Museumscharakter. Ende des 13. Jahrhunderts schmückte Giovanni Pisano die Fassade mit einer Vielzahl von Skulpturen. Auf den Gesimsen im Inneren des Doms findet man die Büsten von 172 Päpsten. Hohe Arkadenbogen prägen die dreischiffige Basilika, deren Wände schwarzweiß marmoriert sind. Das Chorgestühl stammt aus dem 14. Jahrhundert, das Glasfenster darüber entstammt einem Entwurf von Duccio di Buoninsegnas aus dem Jahrhundert davor.

Geradezu fasziniert hat uns der ungewöhnlich kunstvolle Marmorfußboden aus dem 14. Jahrhundert mit seinen kostbaren biblischen Bodenbildern. Alle Bilder sind frei zugänglich, die Flächen sind lediglich abgesperrt, so dass sie nicht begehbar sind. Die große Kuppel im Mittelschiff passt sich dem Gesamteindruck des Interieurs hervorragend an. Von allen mittelalterlichen Kirchen hat uns der Dom von Siena am besten gefallen.

Nach dem Pflichtbesuch der „Must-see-Sehenswürdigkeiten“ stoßen wir noch auf ein weiteres Detail von Siena: An der Via dei Rossi, an der Piazza Salimbeni steht das Elternhaus des Ex-Rennfahrers "Alessandro Nannini" und der Rocksängerin "Gianna Nannini". Das Haus ist bekannt für sienesische Spezialitäten und Alessandro ist heute der Geschäftsführer. Jeder kennt Gianna's berühmte Stimme, ihr unverkennbares Markenzeichen, kraftvoll und immer ein wenig krächzend. Ihr Lied "I Maschi" haben wir mehr als einmal gehört. Natürlich haben wir auch in Siena einen Café latte und einen Cappuccino getrunken, der sich hier mit 3,90€ noch in vernünftigen Grenzen hält, allerdings etwas abseits vom touristischen Zentrum.

Dann verlassen wir Siena mit dem Ziel "Pienza". Auf dem Weg dorthin kommen wir durch "Montalcino". Ein wahrhaft süßes kleines Örtchen. Es liegt fast 600 m hoch auf einem der vielen Toskana-typischen Hügel und hat eine wunderschöne und gemütliche Dorfmitte. Es lohnt sich, hier einen Spaziergang zu machen. Die ganze Region hat die bisher höchste Dichte an Zypressen-Alleen, die uns bisher begegnet ist. Einen ganzen Abend verbringen wir hier, bevor wir im Halbdunkel wieder heimfahren.
 

 

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