Primavera Siciliana 4(9)

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Samstag, 05.05.07: Palermo, San Vito und Erice

Heute müssen wir in Cefalù das Feld räumen. Aber nicht, ohne ein 4-Sterne-Frühstück zu genießen! Dagmar wollte unbedingt wissen, wie ein solches "Colazione" aussieht und schmeckt. Und in der Tat: Es unterscheidet sich nicht von einem guten deutschen Frühstück. Nur die "Müsli-Abteilung" fehlte komplett. Ansonsten war alles da.

Beim Losfahren gibt mir ein Deutscher, der gerade angekommen ist und fragt, ob noch Zimmer frei sind, den Tipp, "Erice" zu besuchen und die tolle Serpentinenstrecke zu fahren. "Das wird Ihnen bestimmt gefallen mit dem Motorrad!" meinte er. OK, denke ich, den Rat werden wir mal befolgen.

Aber zunächst geht es nach Palermo. Eine ¾ Stunde später sind wir bereits da. Nach kurzer Sucherei - "verkehrstechnisch" ist es schon fast wie in Neapel - lassen wir uns am alten Porto in einem kleinen Straßencafé nieder. Rings um uns herum sind große Stände mit Orangen und anderen Zitrusfrüchten aufgebaut. Eine schöne Atmosphäre und ein buntes Bild. Da es schon ordentlich warm ist, bevorzugen wir eine Cola statt Kaffee.

Palermo ist ein Kontrastprogramm, noch vor 150 Jahren eine der elegantesten Metropolen Europas. Heute ist Palermo die Stadt mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen Italiens, dazu hohe (Jugend-) Arbeitslosigkeit, mafiöse Bauspekulationen und Elendsviertel allerorten. Auf der anderen Seite spiegelt jeder Winkel der Hauptstadt auch neues Selbstbewusstsein wider. Wo noch vor Jahren bröckelnde Fassaden einen schier unabwendbaren Verfall symbolisierten, werden heute ganze Straßenzüge neu gebaut. Jedes Gerüst signalisiert, dass es hier endlich wieder aufwärts geht.

Als erstes besichtigen wir die Piazza Vigliena, die im Volksmund "Quattro Canti" (die vier Ecken) genannt wird - es ist das Zentrum des alten Palermo. Die Sizilianer verdanken der spanischen Vizekönigin dieses konkave Straßenkreuz. Was immer der Barock des Mittelalters zu bieten hatte, hier wurde es zu Stein: Anmutige Brunnen, hoch schwingende Fassaden, auf 3 Stockwerken die Statuen von Stadtheiligen, der Vizekönigin und den Insignien der vier Jahreszeiten.
 

 

Nicht weit entfernt ist die Piazza Pretoria. Eine breite Freitreppe führt von dem Platz zur Straße hinunter. Davor bieten Kutscher ihre Dienste an. Seinen Namen hat der Platz von dem Palazzo Pretorio, dem ehemaligen Gerichtspalast Palermos. Die Piazza Pretoria wurde im 16. Jahrhundert angelegt, um dort den manieristischen Brunnen Fontana Pretoria zu errichten. Im Volksmund erhielt die Piazza Pretoria wegen der vielen nackten Statuen dieses Brunnens damals den Namen Piazza della Vergogna (Platz der Schande). Diese Bezeichnung ist in Palermo sogar heute noch gebräuchlich. Auch der Kirche "La Martorana" aus dem 12. Jahrhundert statten wir noch einen Besuch ab.

Doch nach diesem kulturellen Minimalausflug in die Schönheiten Palermos zieht es uns schnell weiter. Wir fahren weiter am Meer entlang. Mondello ist wunderschön! Hier ist es sehr touristisch, fast schon wie in St. Tropez. Wir fahren um den Monte Pellegrino herum und dann weiter zum Capo San Vito. Es ist eine sehr schöne Strecke dorthin. Sehr kahle Berge, vermutlich wegen des sehr starken Windes. Die Berge erinnern ein wenig an alpine Gegenden oberhalb von 2.000 m, grün bemoost, keinerlei Bäume oder Sträucher und sehr, sehr steinig.

Auch Castellamare macht beim Durchfahren einen sehr guten Eindruck. Leider haben wir nicht die Zeit, uns die Stadt anzuschauen. Auf den letzten Metern bis San Vito werden die Berge immer zerklüfteter. Aber dann kommt San Vito. Ein sehr schönes, verschlafenes Örtchen, in dem man einen Super-Strandurlaub verbringen kann. Große Sandstrände laden die Urlauber hier zum Sonnenbaden ein. In einem Straßencafé trinken wir einen tollen Kaffee. Der ist so gut, dass wir gleich einen zweiten bestellen. Anschließend fahren wir noch eine kurze Runde zum Leuchtturm, dann geht’s zurück. Wieder einmal droht es zu regnen. Und wieder einmal kommen nur ganze "5 Tropfen" vom Himmel.

Erst um 17:00 Uhr sind wir in Erice. Ein super Dörfchen auf fast 800 m Höhe auf dem Monte Erice. Serpentinen wie am Stilfser Joch führen hier hinauf. Aber leider, leider ist es sehr neblig. Ab 600 m war der Berg in den Wolken verschwunden. Aufgrund des Nebels sehen wir nicht, dass der Umriss des Städtchens wie ein Dreieck aufgebaut ist. Man vermutet, dass das mit dem Kult der antiken Aphrodite zusammenhängt. Damals war das Dreieck ein sehr wichtiges Symbol. Eine wuchtige Stadtmauer zieht sich auch heute noch rings um die Stadt. Die Sicht auf die Stadt und die Küste muss genial sein - bei schönem Wetter. Erst beim Hinunterfahren Richtung Trapani öffnen sich die Wolken wieder. Auch diese Strecke ist wunderschön zu fahren. Unten angekommen begeben wir uns dann erst einmal auf die Autobahn, um wieder mal eine größere Entfernung schnell hinter uns zu bringen. Dann kürzen wir den Autobahnverlauf ab und wenden uns Richtung Salemi. Extrem einsame Gegend hier. Dann fahren wir bei Gibelina noch einmal auf die Autobahn und bei Castrelvetrano wieder ab - ein Optimum zwischen km-Fressen und Motorradtour. Von hier nach Selinunte ist es nun nicht mehr weit.

Wir müssen etwas suchen und ein paarmal fragen, bevor uns ein Straßenverkäufer den richtigen Tipp gibt: "Direzione Menfi". Eine Viertelstunde später haben wir unser Hotel gefunden: Ein Ferienpalast mit großem Pool und jeder Menge Animation, und das ganze direkt am Meer. Sogar unser Hotelzimmer bietet eine tolle Aussicht direkt auf's Meer.
 

Sonntag, 06.05.07: Im archäologischen Park von Selinunte

Selinunte ist eine archäologische Fundstätte ersten Ranges auf Sizilien. Sie zeigt die Überreste der griechischen Stadt Selinus, die in der Antike zu den wichtigsten Stadtstaaten Siziliens zählte. Davon zeugen die zahlreichen Tempelanlagen, die zu den bedeutendsten griechischen Tempeln Siziliens zählen. Zig Mal zerstört, zig Mal wieder aufgebaut. Hier bekommt der "Erste Punische Krieg", den wir mal in der Schule gelernt haben, plötzlich ein handfestes Bild und eine reale Bedeutung!

Die Stadt wurde von den Griechen gebaut. Die Straßen hatten genormte Breiten. Jeder Häuserblock war genau 100 Fuß breit. Die Rinnsteine lagen rechtwinklig dazu. In einem der Häuser wurde die bislang erste Wendeltreppe der Geschichte gefunden! Aber irgendwann machte die Natur Schluss mit all' diesen Schönheiten hier: Ein epochales Erdbeben hat sämtliche Gebäude und Tempel vor Jahrhunderten einstürzen lassen. Und nur einer - der Tempel "E" - wurde 1956-57 wieder aufgebaut. Aber es gibt noch viele weitere Tempel. Die Akropolis allein hat schon 4 Tempel, incl. gut erhaltener Terrassen. Alles aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.
 

Auf dem Osthügel befinden sich Reste von 12 Tempeln aus dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. Darunter auch der vermutlich der Göttin Hera geweihte Tempel "E" (um 460-450 v. Chr.), der als dorischer Peripteros (6 mal 15 Säulen) restauriert wurde, sowie der um 520 v. Chr. begonnene und unvollendete Tempel "G", der mit einer Grundfläche von 50 mal 110 Meter einer der größten griechischen Tempel ist. Von einem deutschen Reiseführer, der seine Gruppe durch diese Ruinen führt, habe ich vernommen, dass in diesem "Schutt" ein 70 t schwerer Giebel gefunden wurde. Es ist doch sehr verwunderlich, dass die Menschen im 6. oder 5. Jahrhundert in der Lage waren, derart schwere Objekte in 20 m Höhe so exakt anzubringen.

Ein paar Stunden verbringen wir in diesem Labyrinth, das uns wie ein gigantisches dreidimensionales Puzzle vorkommt. Dann fahren wir nach Selinunte, um uns dieses Strandstädtchen genauer anzuschauen. Aber wir sind etwas enttäuscht: Eine "Geisterstadt" liegt hier vor uns. Kein Mensch, kein Auto, kein Leben, nichts! Wie nach einer Evakuierung! Zwar ist einerseits Mittagszeit und andererseits Vorsaison, aber so leer haben wir es nun doch nicht erwartet. In einem kleinen Laden kaufen wir 3 kleine Kuchenteilchen und eine eisgekühlte 0,5 l Cola. Für sagenhafte 2,50€. Dafür bekommt man andernorts gerade mal eine Tasse Kaffee. Ein wenig lassen wir uns am Strand nieder und genießen die Sonne und das Meer.
 

 

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