In den Pyrenäen 5(7)

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Samstag, 19.06.10: Weiterreise in die Zentralpyrenäen

Heute morgen müssen wir die Villa du Parc leider verlassen und verabschieden uns von unseren Gastgebern. Es war sehr schön bei Euch, Mireike und Oliver! Danach fahren wir weiter über Andorra nach Ainsa.

Um 07:30 Uhr geht es los. Das Wetter ist gar nicht so schlecht und wir wählen den etwas längeren Weg über Andorra. Wenn wir schon mal hier sind, wollen wir wenigstens hindurch fahren. Hier schieben wir nun das extra gekaufte Hörbuch von Hape Kerkeling (Ich bin dann mal weg) in den CD-Schacht und hören uns mal seine Geschichten rund um den Jakobsweg an. Das verkürzt die Zeit doch sehr, denn es geht nicht flott voran - und das liegt nicht an unserem Anhänger.

Andorra wurde am 8. September 1278 gegründet und ist heute flächenmäßig der größte unter den sechs europäischen Zwergstaaten. Es ist das einzige Land der Welt, bei dem gleich zwei ausländische Amtsträger die Funktion des Staatsoberhauptes wahrnehmen (der Bischof von Urgell und der Präsident von Frankreich). Somit handelt es sich um eine Doppelherrschaft oder Dyarchie. Andorra gilt als Wintersport- und Steuerparadies und liegt in einem Hochtal der Pyrenäen. Die Entstehung des Tales geht auf die Eiszeit zurück, in der Gletscher die ursprünglich engen Täler verbreiterten und das mitgeführte Schuttmaterial als Moränen ablagerten. Mehr als ein Drittel Andorras liegt oberhalb der Waldgrenze. In den Lagen darunter wechseln meist Kiefernwälder mit Wiesen und Weiden einander ab. Das Land ist sehr gebirgig. 65 Berggipfel übersteigen die 2000-Meter-Grenze. Der höchste Berg ist der Coma Pedrosa mit 2.946 Metern. Der niedrigste Punkt ist 840 Meter hoch und liegt bei Sant Julià de Lòria an der spanischen Grenze. Die Grenze zu Frankreich hat eine Länge von 56,6 km und die zu Spanien 63,7 km.
 

 

Es geht immer höher hinauf in die Berge. Unterwegs werden sogar Kühe über die Hauptstraße geführt. Und dann fängt es hinter dem Tunnel zu regnen an. An der Grenze zwischen Frankreich und Andorra sind es 2.050 Höhenmeter, und man sieht wegen Nebels und Regen nur noch 200 m weit. Die höchste gefahrene Stelle ist immerhin 2.400 m hoch. Kaum haben wir die Grenze passiert, ist die Straße mit Tankstellen zugepflastert. Verständlich, denn mit 1,05 € für Super sind die Preise für Benzin hier noch billiger als in Spanien.

Mitten in der Stadt Andorra la Vella, die übrigens die höchste Hauptstadt Europas ist und auch gleichzeitig die einzige des Fürstentums, nehmen wir in einem Bistro ein Frühstück ein. Zwei gekaufte Croissants, dazu ein Coffee to go - perfekt, denn die Sonne lässt sich auch schon wieder blicken! Kurze Zeit später kommt die Grenze zu Spanien. Hier wird jedes Auto unter die Lupe genommen! Und natürlich muss ich meinen Anhänger öffnen. Schließlich könnte der ja mit Zigaretten oder Sprit vollgepackt sein. Der weitere Straßenverlauf führt durch ein ziemlich enges Tal. Es viel Berge, Felsformationen und Wasserfälle zu sehen. Es ist sehr abwechslungsreich und deshalb kommt uns die Fahrt nicht langweilig vor. Wir entschließen uns aber, mit dem Hänger nicht die Paßstraßen zu fahren, sondern auf der Hauptstraße zu bleiben. Nur ganz unten kürzen wir ab, an Balaguer vorbei. Schließlich kommen wir um 14 Uhr nach 6½ h und 382 km (Schnitt von 61 km/h) bei großer Hitze in Labuerda an. Im Hotel ist es problemlos. An der Hotel-Lobby spricht jemand ziemlich gebrochenes, aber verständliches Englisch. Die wichtigste Botschaft war die über die riesige Tiefgarage, die unter dem Hotel ist und in der ich nicht nur das Motorrad, sondern auch gleich den ganzen Hänger unterbringen konnte.

Um 16:30 Uhr machen wir nochmals mit Auto auf Entdeckungstour. Als erste wollen wir an den See. Aber eine Überschwemmung der Furt macht es unmöglich, den Fluss zu überqueren. Also fahren weiter außen herum. Um 18 Uhr ist es immer noch so früh, dass wir uns entschließen, auch noch dem Ordesa-Nationalpark, der direkt hinter dem Hotel beginnt, einen Besuch abzustatten. Wir fahren ein kleines, aber landschaftlich tolles Sträßchen in die Berge hinauf, ein Ziel "Ordesa-Nationalpark" direkt aus dem Navi. Oben ist ein sogar ein kleines Informationshäuschen. Ein Spaziergang schließt sich an. Ein gigantisches Tal liegt vor uns. Und zu unserer großen Überraschung sind wir hier nicht einmal die einzigen.
 

Sonntag, 20.06.10: Im Benaque- und Isabena-Tal

Es ist sehr praktisch, das Motorrad in der Tiefgarage zu packen. Wir durchfahren zwischen Samper und Seira eine extrem enge Klamm, so etwa wie das Eggental in den Dolomiten. Grandios, wie sich der Rio Esera hier in die Felsen gefressen hat. Es ist kalt, unter 10°, und die Kurven sind so eng, dass wir selbst mit dem Motorrad nicht gut zum Fotografieren anhalten können. Aber da vorn kommt ein kleiner Parkplatz zum Vorschein.

Dort treffen wir einen einzelnen Radfahrer, der mich noch bei laufendem Motor sehr freudig strahlend in glasklarem Englisch anspricht. Er ist uns sofort sympathisch. Er stellt sich als "Cameron from Canada" vor und grinst uns dabei sehr liebenswürdig ins Gesicht. Wir unterhalten uns eine ganze Zeitlang und erfahren eine Menge über ihn. Er kommt aus Montreal und ist ohne seine Frau für zwei Monate nach Europa gekommen, um allein die Pyrenäen zu durchqueren. Das Fahrradfahren sei seine Passion und er habe noch nie eine so faszinierende Bergwelt gesehen. Ich gebe meiner Verwunderung Ausdruck, schließlich hat Kanada noch ganz andere Berge! Aber diese - so belehrt er mich - seien einfach zu groß, zu massig und irgendwie zu unpersönlich. Wir staunen nicht schlecht. Natürlich machen wir auch ein paar Fotos, und ich gebe ihm schließlich auch eines meiner Visitenkärtchen, um sich die Bilder später mal bei mir abzuholen. Ich hoffe, er meldet sich irgendwann bei uns! 

Danach fahren wir ins Benasquetal. Schließlich liegt dort der höchste Pyrenäengipfel, der Pico de Aneta mit 3.404 Höhenmetern. Es sind noch 10 km, als wir die ersten Wolken sehen, noch 5, da fängt es an zu regnen! Unglaublich! Quasi aus blauem Himmel. Und wir sehen auch genau, woher es kommt. Direkt aus den Bergen. Da es auf die Mittagszeit zugeht, tanken wir vorsichtshalber noch, um nicht in die Siesta zu geraten. Und was sehen wir an der Tankstelle? Schneereste, die vom letzten Auto gefallen sind. Denn hier bei 20° kann kein Schnee fallen! Es muss also schneien dort oben! Wir können es gar nicht fassen. So wahnsinnig hoch ist das alles doch gar nicht. Schweren Herzens, nun Benasque nicht gesehen zu haben, machen wir kehrt und halten uns an den weiteren Verlauf unserer geplanten Route. Denn mit dem Motorrad im Schnee - nein, das brauchen wir heute nicht.
 

 Unser weiterer Weg führt uns geradewegs zu einer gleichermaßen landschaftlichen wie fahrerischen Sensation. Das Isabenatal ist ein Tipp aus dem Golletz-Büchlein und schon der allein war das Geld wert. Das Tal ist ganz großes Kino. Da wir es nur hinein- und danach wieder hinausfahren, um unsere geplante Route fortzusetzen, ist die Entscheidung leicht: Langsam hinein einfahren und Fotos machen - dann umkehren und es mal richtig knacken lassen! Perfekter geht es nicht. Hatte ich schon gesagt, dass hier kein Verkehr ist? ;-)

Auch die ursprünglich vorgesehene Strecke hinauf nach Vielha ist stark bewölkt. Vermutlich regnet oder schneit es auch auf der anderen Seite des Berges. Wir ziehen es weiterhin vor, nicht nass zu werden und ändern unseren Plan. Obwohl der Collado de Espina mit seinen 1.470 m nicht besonders hoch ist, spüren wir in unseren Sommerjäckchen die 10° doch ganz gut. Für meine Sozia habe ich extra die Winterjacke im Gepäck, so ist die Jacke im Bedarfsfalle schnell ausgetauscht. Erst geht es nach El Pont de Suert. Bis hier wollte Cameron heute fahren. Aber zu unserer Überraschung gibt es an den vielen Seen hier keine Ruhemöglichkeiten, nicht einmal einen Parkplatz, komisch!? In der Stadt nehmen wir auf einer in der prallen Sonne (!) liegenden Bank unser Croissant ein. Nach einer halben Stunde wird es mir zu heiß, und selbst Dagmar will wieder ihre Sommerjacke anziehen! Dann geht's weiter.

Die winzige Straße über La Pobleta de Belivei nach Gerri war genial gut. Es ist immer noch tierisch heiß, trotzdem muss nun ein Kaffee her. In La Pobla de Segur finden wir an der Hauptstraße ein Straßencafé. Kurze Zeit später sind wir in Tremp. Wir versuchen noch eine gute halbe Stunde lang, einem gigantischen Wasserfall, dem Überlauf des Sees Panta de Sant Antoni, etwas näher zu kommen, aber es gelingt nicht. Wir müssen uns mit Fotos aus der Ferne begnügen! Der Rückweg zum Hotel ist noch weit und führt über kleine Straßen mit vielen Kurven! Die Route über Puente de la Montanana und Benabarre ist eine phantastische Stecke, erst passartig, später dann führt sie durch das gewaltige Flusstal des Rio Esera und des Rio Cinca. Bei Olvena zieht sich eine Brücke über den Canyon des Esera. Dort verschnaufen wir noch ein halbes Stündchen und schießen ein paar schöne Fotos.
 

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