Südafrika und Dubai 5(7)

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Khayelitsha

Am letzten Nachmittag unserer Südafrika-Reise lernen wir nun auch noch die andere, die Schattenseite Kapstadts kennen. Wir fahren in das Township Khayelitsha. Schon der Name dieser Region, "Wetlands" - also Moor, weist darauf hin, in welcher Landschaft wir uns nun befinden. Ein Klick auf diesen Google-Earth-Link zeigt, wo wir genau hingefahren sind. Selbst am heimischen PC bekommt man eine vorsichtige Ahnung davon, wie es in diesem Township aussieht und welche Größe es hat.

Allein sollte man sich insbesondere als Weißer nicht hinein trauen, sagt Amora, man könne sich nicht einmal ein Taxi dorthin bestellen. Sie erzählt von einem neuen Projekt, deren erste Besuchergruppe wir heute seien - wenn wir mögen. In diesem Projekt lernen die Bewohner, sich selbst zu managen, eigene Projekte zu kreieren und auch durchzuführen. Das Projekt ist nur für jüngere Bewohner konzipiert und Familien mit Kindern, also keine Menschen im "Rentenalter". Der "Bürgermeister", der uns mit einer kleinen Delegation in gut verständlichem Englisch empfängt, ist gerade mal 35 Jahre alt. Seine Abordnung - ich nenne sie jetzt mal so - wirkt sehr positiv auf uns, sie sind allesamt sehr ordentlich gekleidet, besser als einige Urlauber in unserer Gruppe. Alle sind sichtlich angespannt und machen den Eindruck auf uns, dass ihnen am Gelingen dieser Aktion etwas liegt.
 

Im Einzelnen sehen wir folgende "Teilprojekte":

  1. Kanufahrten:
    Wir haben es nicht ganz genau verstanden, aber in diesem Teilprojekt werden wohl Besucher auf den in der Nähe liegenden Kanälen mit Booten gefahren.
  2. Bistro:
    Wir werden eingeladen, frisch gebackenes Brot zu essen. Etwas mulmig war uns schon, aber wir waren auch voller Neugier, wie dieses Brot wohl schmeckt. Wir fanden es zwar nicht besonders würzig, vielleicht so ähnlich wie italienisches Brot, aber so frisch gebacken war es ganz hervorragend.
  3. Lebensmittelladen:
    Man kann Kartoffeln kaufen sowie Obst und Gemüse und ein paar andere Basics. Eine Teilnehmerin unserer Gruppe kauft einen Beutel Kartoffeln, den sie dann zwei Straßen weiter wieder verschenkt hat. Schöne Geste.
  4. Kindergarten:
    Ein Ort für Kinder ab 6 Monaten Lebensalter, aber nicht für jeden! Das war eine Überraschung! Nur berufstätige Eltern können ihre Kinder hier kostenlos zwecks Betreuung abgeben. Das passt zusammen mit unserer Erfahrung von gestern: "Keine Leistung ohne Gegenleistung"!
  5. Auto-Waschanlage:
    Hier ist reine Handarbeit angesagt. Autos werden von Hand gewaschen und getrocknet. Für umgerechnet 2 € (wenn ich mich recht erinnere). Wir schauen eine Zeitlang zu, wie das so abläuft. Grob gesagt: Eine Person arbeitet, 10 andere stehen oder sitzen drum herum und schauen zu. Das soll nicht vorwurfsvoll oder westlich-überheblich klingen, sondern es beschreibt einfach diese Situation!
Video Khayelitsha

Weitere Eindrücke:

  • Wenn wir "Bistro" schreiben oder "Lebensmittelladen", dann darf man sich das nicht so vorstellen, wie es bei uns ist. Vielmehr betritt man eine Wellblechhütte, die weder richtige Türen noch Fenster hat. Innen gibt es meist nur einen Raum, manchmal auch zwei, das ist dann der private Bereich. Im "Bistro" durften wir auch den privaten Bereich betreten. Vorsichtig und mit einem Gefühl von Demut betreten wir einen stickigen Raum mit mehreren Menschen, die auf alten Sesseln und einem Sofa sitzen/liegen und fernsehen. Ein (geschätzt) 40 Zoll Flachbildschirm hängt an der Wand und flimmert vor sich hin. Ein Erwachsener spielt mit seinem Handy.
  • Da fragt man unweigerlich, woher kommt dieser Widerspruch? Keine Kanalisation, keine Toiletten in den Hütten, kein fließendes Wasser, dafür aber Autos, nicht wenige Mercedes, oft SUV's, sowie Flachbildschirme an Satellitenanlagen und Mobilfunktelefone in der Hand. Fast jede Hütte hat eine Sat-Antenne auf dem Dach. Wie passt das zusammen?
  • Amora erklärt uns, dass es auch Hütten mit WC und Abfluss gibt. Gesehen haben wir aber keine.
  • Später im Bus fragen wir Amora, was sie glaubt, woher dieser Widerspruch kommt.
    Ihre Antwort in Kürze:

    Die Kultur der Bevölkerung stünde ihnen im Wege. Ihre Denke sei ungefähr so: Wenn mein König gut ist, bin auch ich gut. Und mein König ist gut. Es reicht, wenn sich der König anstrengt. Dann wird alles gut. Ich selbst muss mich nicht anstrengen, denn mein König sorgt ja für mich. Man dürfe auch einigermaßen sicher sein, dass der größte Teil der afrikanischen Migranten diese kulturellen Vorstellungen und Prägungen mit nach Europa nähmen und dementsprechend leben würden. Hier ist es dann eben "Königin Merkel" oder "König Macron", die/der für sie "sorgt".
     
    Eine persönliche Anmerkung:
    Wenn diese kulturelle Einstellung auch nur halbwegs stimmt - und es gibt keinen ernsthaften Grund, daran zu zweifeln - dann wundert es uns überhaupt nicht, dass Südafrika nicht auf die Beine kommt. Und vermutlich ist das in allen afrikanischen Staaten so oder so ähnlich. Zumindest in Ghana ist das exakt genau so, das wissen wir aus erster Hand von unserer Tochter, die dort ein paar Monate als Entwicklungshelferin gearbeitet hat. Unsere Hoffnung ist deshalb gering, dass Afrika jemals wirtschaftlich richtig auf die Beine zu kommt - dabei ist es ein an Bodenschätzen reicher Kontinent, und es steht fast überall kostenlos und unbegrenzt Sonnenenergie zur Verfügung. Und wenn seine Fruchtbarkeit nicht nachlässt, dann steht zu befürchten, dass Afrika eines Tages komplett übervölkert sein wird und niemals aus dem Schatten eines Entwicklungslandes heraustreten kann.
     
  • Zehn Kirchen gibt es hier in Khayelitsha, alles christliche Konfessionen.
  • Der Preis für diese "Besichtigung" liegt mit 150 € für 2 Personen zwar erheblich über dem, was das objektiv wert ist, aber wenn dieses Geld bei den Menschen dort vor Ort direkt und unmittelbar ankommt, ohne in irgendwelchen Gassen zu versickern, dann soll es uns das absolut wert sein. Und in der Tat, später im Township sehen wir, wie Amora einen eingesammelten Betrag von rund 1.500 € an den Projektleiter übergibt. Toll, dass sie das in unserem Beisein macht.
  • In Deutschland wurde Khayelitsha übrigens in 2005 einer größeren Öffentlichkeit durch die Opernverfilmung "U-Carmen" bekannt. Der Film U-Carmen beruht auf der Bizet-Oper "Carmen", die Handlung spielt jedoch in Khayelitsha. Der Gesang ist in Xhosa, die Musik Bizets wird durch Xhosa-Traditionen ergänzt.
     

Sonntag, 14.02.16: Kapstadt und Weiterflug nach Dubai

Heute Mittag gegen 13:30 Uhr hebt unser Flieger nach Dubai ab. Wir haben also noch etwas Zeit für einen letzten Spaziergang in Südafrikas "Drittel-Hauptstadt". Denn Exekutive, Legislative und Judikative sind in Südafrika in verschiedenen Städten beheimatet: Pretoria im Nordosten, Kapstadt im Südwesten und Bloemfontein in der Mitte des Landes. Die Regierung hat also ihren Sitz in Pretoria, das Parlament tagt alternierend mit Pretoria alle 6 Monate hier in Kapstadt.

Amora speichert ununterbrochen Zahlen und Fakten aus, ich kann das alles gar nicht so schnell mitschreiben, um es hier wieder zu geben. Wir sehen aber noch einmal das alte Rathaus, vor dem Mandela am 11. Februar 1990 unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis seine berühmte Rede gehalten hat. Ein wahrhaft historischer Ort. Seit 1979 tagt die Stadtverwaltung im neuen Rathaus. Dieses alte hier ist heute Konzertsaal und Stadtbücherei. Es hat vor allem wegen der oben erwähnten Rede einen extrem hohen Stellenwert in der Bevölkerung.

Anschließend unternehmen wir einen ausgiebigen Spaziergang durch den Botanischen Garten mitten in der Innenstadt, der hier "The Company's Garden" heißt. Dieser Garten war mal ein Obst- und Gemüsegarten. Davon erzählt aber nur noch ein alter Safran-Birnbaum, der 1652 hier zur Eröffnung des Gartens gepflanzt wurde und der aufgrund von Blitzeinschlägen und Stürmen heute aufwändig abgestützt die Vergangenheit "hochhalten" soll. In dieser Oase könnte man schon einen halben Tag verbringen. Gelegenheiten gibt es genug: Die vielen historischen Gebäude, zwei Museen und auch die Fußgängerzone ist nicht weit.

Ein letzter Blick auf den Tafelberg, dann bringt uns Freddy mit dem Bus zum Airport.





 

 

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