Schweiz 3(3)

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MI 24.08.05

Als erstes wird heute morgen die Passhöhe Grimsel erklommen. Und auch hier wie die anderen Pässe: Guter Asphalt und flott zu fahren. Entlang der Nordrampe sind auf drei Ebenen Stauseen angelegt, die Wasserspeicher der KWO-Kraftwerke. Der oberste ist auf 1.909 Metern der Grimsel-See, der sich aus dem Unteraargletscher speist. Er ist der größte der 5 KWO-Stauseen. Über eine der Staumauern erreicht man das Hotel "Grimsel-Hospiz", hoch thronend auf einer Felskuppe. Sieht faszinierend aus. Mit dem Motorrad kann man - zumal so früh - bis vorn an das Geländer fahren.

Noch ein paar Kurven, dann hat man die Passhöhe erreicht. Hier sind ein paar alte "Motorräder" ausgestellt, bunt und sehr grell angemalt. Ein echter Blickfang. Die Südrampe in Richtung Gletsch öffnet einen faszinierenden Blick in das Tal der gerade erst entsprungenen Rhône, die hier noch "Rotten" heißt. Die Straße biegt sich eng und gut ausgebaut hinunter ins Tal. Von hier breitet sich der Kanton Wallis aus. Links sieht man schon den sich hinauf auf den Berg windenden Furkapass. Und der Rhônegletscher leistet ihm visuelle Gesellschaft.

Unten im Tal steht ein Rhône-Hotel, allerdings nicht besonders ansprechend. Und 200 Meter weiter geht es bereits auf die Furkastraße. Eine fabelhafte Oberfläche erlaubt auch hier schnelles Fahren. Auf der Hälfte kommen wir dann wieder am Belvédère vorbei. Auf der anderen Bergseite (Richtung Andermatt) ist der Furka plötzlich nicht mehr so gut: Schlechte Straße und auch relativ viel Bitumen.

In Andermatt bekommen unsere Bikes was frisches in den Tank und dann geht es hinauf auf den Oberalppass. Mit diesem Pass verbindet mich eine besondere Emotion, war er doch der erste aller Alpenpässe, die ich seit 2.000 mit dem Motorrad gefahren bin - etwas Sentimentalität muss halt sein. Deshalb musste ich auch meine RT unter dasselbe Passhöhenschild stellen und ein Foto machen, genau wie anno 2.000 auf dem Weg zum Gardasee. Am Oberalp kann man auch recht oft die bekannten knallroten Schweizer Alpenbähnchen anschauen, die sich hier auf ihrer Zahnradspur den Berg hinaufwinden. Sieht sehr schön aus.
 

 

Mittags erreichen wir dann die Passhöhe Lukmanier. Der Pass verbindet den Kanton Graubünden mit dem Tessin. Es beginnt furios: Ein schmales Tal mit hohen Felsen, was Appetit auf "mehr" macht. Aber die vielen Tunnel und Galerien setzen dem Fahr- und Landschaftsspaß ein jähes Ende, schade. Auch den See sieht man kaum. Die mit viel Bitumen verschmierte Betonstraße tut ein übriges, so dass mir dieser Pass nicht besonders attraktiv im Gedächtnis geblieben ist. In Bellinzona hat es doch tatsächlich geregnet! Obwohl "wetteronline.de" am Abend vorher gutes Wetter prognostizierte! Die Straßen werden nass und nasser. Schließlich beraten wir uns kurz, schauen noch einmal kurz ins Internet und ändern unsere Pläne: Lieber Berge und Sonne als Seen (Lago Maggiore und Comer See) und Regen. Also fahren wir wieder nach Norden: San Bernardino heißt nun das Ziel. Die Straße ist sehr flüssig zu fahren, kaum Bitumen, nur ein paar wenige Stellen mit Beton.

Um 14:00 Uhr sind wir in Villagio San Bernardino: Ein total verschlafenes Nest. Leider sehen wir nicht allzu viel von diesem Pass, dessen Schönheit ich nur von Bildern kenne und hier unglücklicherweise nur nebelhaft erkennen kann: Sichtweite kaum mehr als 30 Meter. Ich habe gelesen, dass es hier regelmäßig ein "Pass Racing" gibt, das bei vielen Motorradfans (in der Schweiz übrigens "Töff-Piloten" genannt) sehr beliebt ist. Leider findet heute keins statt... Die hier oben auf der Höhe befindliche Wasserscheide ist übrigens gleichzeitig eine Art Zulauf für den Rhein im Norden und den Po im Süden.

Nur ein paar km weiter beginnt schon der nächste Berg: Der Splügen-Pass liegt nun vor uns. Meine Güte, unterschiedlicher kann ein Pass auf seinen zwei Seiten kaum sein: Die nördliche Seite (CH) ist mit 9 km sehr kurz, die Grenze zu Italien ist genau auf der Passhöhe, und dann geht es in Italien für die nächsten 29 km bergab. Höhenunterschied: 1.788 Meter. Ich weiß gar nicht, ob das nicht Rekord ist in den Alpen! Weiß das jemand? Die Nordrampe hingegen hat an einer Stelle eine Serpentinenfolge, die ein wenig an eine Stelle des Stilfser Jochs erinnert: 180-Grad-Kehren und dann geradeaus, ist aber nicht sooo spannend. Und wie wir es schon beim Livigno erlebt haben, herrscht hier seitens der italienischen Zöllner strengstes Fotoverbot. Nicht mal vor dem Passhöhenschild ist ein Foto erlaubt.

Die Splügen-Südrampe dagegen ist aufgrund ihrer Kühnheit allererste Sahne. Zunächst fährt man noch auf einer Hochebene an einem kleinen Stausee vorbei. Aber dann kommt der Hammer: Eine tiefe Schlucht, die der Hinterrhein über viele Jahrtausende hier eingeschnitten hat. Teils über alte Steinbrücken, durch sehr enge Tunnel, durch viele Galerien hat man die Straße hier durch den Berg getrieben und an den Berg geklebt. Die Straße hat teilweise nur Platz für einen PKW. Wenn man ihm gerade in einer der sehr engen Kurven erwischt, muss man anhalten. Das ist uns auch einmal passiert. Fazit: Es ist eine grandiose Abfahrt, enger geht's nimmer. Vor allem wegen der landschaftlichen Schönheit und des Abwechslungsreichtums der italienischen Seite würde ich diesen Pass beim nächsten Mal von Süden fahren.

Chiavenna hat bereits mediterranen Charakter: Die Häuser, die Vegetation und die ganze Stimmung der Stadt ist klasse. Aber wir lassen uns selbst davon nicht lange ablenken. Kurze Zeit später ist bereits die Passhöhe Maloja erreicht. Dieser Pass beginnt sehr gut und flott, dann enge Kehren, oben ein Hotel. Besonders die drei Seen sind eine kurze Pause wert. Und an einigen Stellen ist die Paßstraße auch bewaldet, was immer auch eine besondere landschaftliche Schönheit ist.

Wir fahren ohne anzuhalten durch St. Moritz und biegen ein paar km später links ab wieder in die Berge. Um 18 Uhr pflegen wir ein kurzes Gespräch mit anderen Bikern auf der Passhöhe Albula. Diesen Pass kennen wir schon aus dem letzten Jahr. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass das Hotel Kulm, direkt am Albulapass gelegen, Maßstäbe setzt. Es gibt zwar keine "Töff-Garage", aber dafür sind die Zimmer erste Sahne. Und mit 70 CHF (entspricht ca. 45€) ist das Preis-Leistungsverhältnis hier das beste von allen auf dieser Reise. Mit Schrecken denken wir an Brunnen zurück, da auch hier eine Bahntrasse durch das Tal führt, aber wir sollten später feststellen, dass von 23:00 bis 06:00 Uhr kein einziger Zug zu hören war. Wir haben hervorragend geschlafen.
 

DO 25.08.05

Sogar das Frühstück ist recht üppig, wir bekommen eine zweite Runde mit Brötchen, das gab es bisher noch nie. Bei recht frischen Temperaturen fahren wir los. Um 10:15 Uhr sind wir in Chur. Die Strecke über Lenzerheide ist sehr gut. Sehr viele Kurven, allerdings teilweise mit Bitumen, auch einen See mit vielen Freizeitmöglichkeiten sehen wir hier oben und natürlich eine tolle Landschaft. In Chur tanken wir, danach suchen wir uns den etwas versteckten Weg durch das Tal von Versam (auch "Safien-Tal" genannt). Hier war ich in 2.000 auf meinem Weg zum Gardasee ebenfalls hergekommen (allerdings in umgekehrter Richtung). Ich hatte das Tal noch etwas länger in Erinnerung - aber genau so schön.

Nach einer strammen Fahrt über Andermatt, Furka und Grimsel sind wir schließlich wieder in Innertkirchen. Hier halten wir uns nach Norden. Als erstes kommt Sachseln am See. Die Strecke zwischen Meiringen und Giswill ist große Klasse. Danach "stolpern" wir über die Aareschlucht. Nie gehört - aber ein echtes Highlight. Dann führt eine sehr coole Strecke durch ein längeres Waldstück. Sehr schöne Kurven.

Die Passhöhe Glaubenbergpass ist eine Katastrophe: Eine echte Schotterstrecke erwartet uns hier. Ich weiß gar nicht, wann ich die letzte Schotterpiste in dieser Länge gefahren bin, war es auf Korsika? In Thun haben wir zum ersten Mal Probleme, ein Zimmer mit akzeptablem Preis zu finden. Nach fast 2 Stunden sind wir nun kurz vor dem "Nun-ist-uns-jeder-Preis-recht-Gefühl" - da finden wir tatsächlich eine Pension für 80 CHF, also 54 €, da schlagen wir zu.

Nach vor dem Abendessen fängt es an, wie aus Eimern zu regnen. Mein Internet sagt mir, dass morgen von Westen ein Regengebiet kommt. Na ja, denken wir, dann werden wir morgen ja doch noch mal richtig nass. Aber es sollte anders kommen.
 

 

FR 26.08.05

Am anderen Morgen scheint nämlich tatsächlich wieder die Sonne: Kaum ein Wölkchen am Himmel. Wir waren auf Regen eingestellt und fassen es kaum. OK, dann geht es eben doch noch nicht auf dem direkten Weg nach Hause.
Die Jaunpasshöhe liegt auf unserem "Umweg" und ist kaum als solche zu erkennen. Stünde dort kein Schild, könnte es auch alles andere als eine Passhöhe sein. Die Straßen sind recht gut, aber es ist überwiegend flach und wenig herausfordernd für uns.

Eine weitere Stunde später machen wir in Murten am Lac de Neuchâtel eine erste Pause. Es ist schon recht warm, und wir machen es uns auf einer von Schirmen und Markisen geschützten kleinen Seeterrasse gemütlich. Wie (fast) immer haben wir keine Franken, aber wie (fast) immer ist das auch hier kein Problem (wenn auch immer ein klein wenig teurer).

Die Route auf unsere letzten drei Pässe ist schwierig zu finden. Zum einen gibt es hier eine Reihe neu gebauter Straßen, deren Führung mit unserer nicht übereinstimmt. Zum anderen ist die Straße zum Chasseral so klein, dass sie nicht gut beschildert ist. Aber schließlich finden wir sie doch. Gegen Mittag erreichen wir die Col de Chasseral Passhöhe. Es ist eine sehr schöne enge Straße durch viel Wald bis auf den Berg mit der großen Fernsehantenne, die wir schon von weitem gesehen haben.
 

 

Die Straße ist Privateigentum und kostet daher Maut: 2 CHF bzw. 1,50 € lassen wir uns abknöpfen. Aber es lohnt sich. Zwar ist es inzwischen sehr dunstig geworden, und wir können nicht besonders weit sehen. Trotzdem sind wir sehr zufrieden mit dem Wetter. Die drei Pässe sind zwar ganz OK, aber selbstredend sind sie nicht annähernd mit Alpenpässen zu vergleichen. Um 15:00 Uhr sind wir in Basel. Diese Stadt ohne Autobahn zu fahren, ist eine Katastrophe. Die Straßennummer ist nicht ständig angegeben und nur die Himmelsrichtung reicht auch nicht immer aus - wir haben uns ein paar Mal kurzzeitig verfranzt. Die letzten knapp 100 km bis Schaffhausen sind normale Landstraße und nicht besonders erwähnenswert.

Trotz meiner noch nicht ganz abgelegten (Vor-) Urteile über die Schweiz waren diese 1.860 km der pure Fahrspaß. Das könnte ich mir auch noch einmal vorstellen!
 

 

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