Dolomiten 3(3)

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SO 22.07.01

Heute müssen wir das freundliche Arabba und die Albergo Pordoi verlassen. Ein Motorradclub aus der Schweiz mit ca. 20 Bikern macht sich ebenfalls auf den Weg. Es ist viel los auf dem Platz vor der Gaststätte. Es sind auch drei weitere RT-Biker dabei. Auch wir packen unsere Brocken und müssen alles wieder verstauen. Die anderen Tage bin ich natürlich ohne Topcase gefahren, da sich die RT dann doch etwas williger in Schräglage versetzen lässt.

Gegen 9:30 Uhr starten wir dann ein letztes Mal aus Arabba und fahren als erstes den Campolongo in umgekehrter Richtung als bei der Ankunft. Diesen Pass kenne ich besonders gut, da ich hier schon Ski gefahren bin.

In Corvara halten wir uns rechts und biegen nicht zum Grödner Joch ein, sondern fahren weiter in Richtung St. Kassian. Dort erwartet uns der Valparola Pass, der sehr eindrucksvoll ist, mit 2100 m zwar nicht ganz so hoch wie die Sella-Runde, aber doch mindestens so beeindruckend. Eine ganze Zeit sind wir von der tollen Aussicht gefesselt. Als wir auf der anderen Seite wieder hinunter fahren, erhaschen wir auf der rechten Seite einen kurzen Eindruck vom Giau-Pass, auf den wir diesmal leider verzichten müssen. Er macht aber einen tollen ersten Eindruck, nicht wahr?

Statt dessen fahren wir die SS 48 weiter bis Cortina, das auf nur gut 700 Höhenmetern liegt, so dass wir einen sehr ausführlichen Abstieg hinter uns haben, als wir angekommen sind. Hier merken wir erst so richtig, wie heiß es inzwischen geworden ist.

Die SS 51 durch den Nationalpark "Dolomiti d'Ampezzo" zu finden, ist nicht schwer, so dass wir schnell wieder etwas kühlenden Fahrtwind um die Nase haben. Die in die Cristallo-Gruppe hineinführende Straße ist leicht und flott zu fahren, sind doch hier nicht allzu viele Autos unterwegs.
 

 

 

In Misurina verzichten wir natürlich nicht auf die "Drei-Zinnen-Höhenstraße", finden aber, dass 12 DM Maut für jemanden, der, oben angekommen, nicht noch weitere 2 Stunden Fußmarsch zum Drei-Zinnen-Blick investieren will, etwas "happig". Die Straße dort hoch hat es allerdings in sich. Während die meisten Kehren, die wir bis hierher gefahren sind, in der eigentlichen Kehre kaum Steigung haben, hat hier die eine oder andere Kehre eine enorme Steigung, was die Durchfahrt schwieriger, aber sehr abwechslungsreich und interessant macht. Na ja, und der Blick vom höchsten der drei großen Parkplätze entschädigt ein wenig für die 12 Mark: Hier kann man in fast jeder Himmelsrichtung mindestens 20-30  km weit schauen.

Wieder unten angekommen, so gegen die Mittagszeit, machen wir eine Rast am Misurina-See. Von der Beschaulichkeit, die dieser See vor 20 Jahren hatte, als ich das erste Mal hier war, hat er heute leider nicht mehr viel übrig. Kommerz und Hektik überwiegt. Der Croci-Pass mit seinen super Kurven entschädigt dafür wieder ein wenig. Der Name kommt von 3 angeblich hier aufgestellten Kreuzen, welche an 2 Kinder und ihre Mutter erinnern sollen, die hier im Schneesturm umgekommen sind.

Wohl noch überwiegend mit dieser Geschichte beschäftigt, verpenne ich unsere geplante Route zum zweiten Mal. Statt Giau- und anschließend Cibiana-Pass erwische ich nur die SS 51. Also geigen wir mehr oder weniger lustlos die 51 hinunter bis zum Lago di Pieve di Cadore. Hier merke ich erst, warum es so langweilig war...  Na gut, denken wir, machen wir aus der Not eine Tugend und fahren in der "gewonnenen" Zeit eine andere Strecke. Wir verlassen bei Lozzo die 51 und fahren über Vigo di Cadore die SS 619 über den Passo Ciampigotto und dann weiter die 465 nach Comeglians. Ich habe zwar eine Karte dabei, die dieses Gebiet abdeckt, bin aber zu bequem, sie hervorzuholen. Also fahren wir einfach drauflos, in der Hoffnung, irgendwann links abbiegen zu können und über Sappada und San Stefano wieder auf unsere Kernroute zurück zu kommen. Ergebnis: Erstens, die Rechnung geht auf! Und zweitens, die Strecke ist echt klasse. Sehr abwechslungsreich, mal Felsen, mal Wald, immer kleine Straßen und kein Mensch unterwegs. Nur ein Wermutstropfen: Es liegt ziemlich viel Dreck auf der Straße: Steine, Kies, Staub, so dass man nicht richtig gasen kann.

Dafür ist die Strecke nach Sappada (hier sind wir so erschöpft, dass wir eine ganze Zeit Pause machen) und San Pietro das komplette Gegenteil: Breit, sauber und schnell. Bei Comelico treffen wir dann wieder auf unsere planmäßige Route. Der nun folgende Kreuzbergpass hat uns ziemlich kalt gelassen, nach allem, was wir bisher gesehen hatten: Weder besonders hoch (1640 m) noch irgendwie ansatzweise einem Pordoi das Wasser reichend. Kurze Zeit später sind wir in Toblach, wo wir uns das erste Mal eine Unterkunft für die Nacht suchen müssen (ich hatte in Toblach nichts gebucht, weil ich nicht wusste, wie sich das Wetter und damit unsere Laune, weiter zu fahren, entwickeln würde). Aber selbst das erweist sich in der Hochsaison (!) als wenig schwierig. Bereits das dritte Haus hat noch Zimmer frei; zwar "nur" Souterrain, aber wer merkt das schon nachts...

In Toblach ist Stadtfest (oder so was ähnliches), und wir zischen noch ein paar Bier, vor lauter Vorfreude auf das, was sich durch Internet-Berichte und eigene Erfahrungen vor vielen Jahren als das letzte Highlight unserer Tour ankündigt: Der Staller Sattel und der Großglockner.
 

MO 23.07.01

Beides hält, was es verspricht. Schon die Anfahrt zum Staller Sattel ist ein großes Vergnügen: Langsam, aber kontinuierlich steigt die Strecke aus dem tiefgelegenen Pustertal (rund 700 m über NN) auf 1400 m am Antholzer See im Schatten der Riesenferner Gruppe an. Hier beginnt der eigentliche Pass über den Sattel und ich bin ganz überrascht, dass man hier nur zu ganz bestimmten Zeiten hinauffahren kann. Das hatte ich überlesen bei meiner Vorbereitung. Man steht plötzlich vor einem Schild sowie einer Ampel und wenn man Glück hat (wie wir!), kann man gleich durch fahren.

Die Strecke ist wirklich sehr eng. Sie schlängelt sich den Berg hinauf, dreht sich in Kehren um oder fließt durch kurze Tunnel. An einigen Stellen gibt es einen herausragend guten Ausblick. Oben angekommen ist es angenehm kühl, und wir genießen die frische Luft. Hier auf dem Scheitelpunkt befindet sich auch gleich die Grenze zu Österreich.

Wir treffen hier oben eine Menge Biker, sogar zwei aus dem Rheinland, die uns schon mal erzählen, wie klasse die Pustertaler Höhenstraße ist, die uns jetzt gleich erwartet. Tatsächlich ist die Abfahrt auf der Ostseite nicht ganz so spannend wie Westseite. Auf der SS 108 vor Lienz können wir uns der breiten und sehr gut ausgebauten Straße ein wenig ausruhen. Und in Lienz ist es kein Problem, die SS 100 zu finden und kurze Zeit später einem großen Schild "Pustertaler Höhenstraße" nach rechts den Berg hinauf zu folgen.

Dieses Sträßchen ist ein echtes Kleinod unter allen Straßen, die wir gefahren sind. Klein, eng, kurvig, fast kein Verkehr. Auf der linken Hand überwiegend ein toller Blick in das Tal, auf der rechten bisweilen Wald, Felder oder auch mal Felsabschnitte. Auch, wenn es kein Pass ist: Dieses war eine der schönsten Strecken unserer gesamten Tour.
 

 

Nicht ganz so mitreißend ist der Kartitscher Sattel auf der 111 (Karnische Dolomitenstraße). Dafür macht der Gailbergsattel vor Oberdrauburg schon eher seinem Namen alle Ehre. Der hat wieder eine Reihe von Kriterien erfüllt, die einem echten Pass zukommen. Am Straßenrand sieht man bisweilen Mahnmale des ersten Weltkrieges. Hier muss der Krieg wohl vor fast 100 Jahren ziemlich gewütet haben.

Aber der absolute Höhepunkt (neben Sella-Runde und Eggental) war die Großglockner-Hochalpenstraße, da gibt es keinen Zweifel. Ich war vor vielen Jahren schon mal mit dem Auto hier, aber bei deutlich schlechterem Wetter. So werden wir denn auch nicht enttäuscht, obwohl die Maut mit ca. 30 DM (wenn ich mich recht erinnere) ganz ordentlich zu Buche schlägt. Am Hochtortunnel entschädigt der Blick ins Tal aber sehr dafür. Hinter dem Tunnel rutschen viele Urlauber, darunter auch etliche Biker, auf provisorischen Schlitten die verbliebenen Schneereste an den Nordhängen hinunter: Ein witziges Bild im Hochsommer.

In einigen wenigen Kehren schimmert noch das Kopfsteinpflaster früherer Jahre hindurch, aber bei den Bedingungen, wie wir sie hatten, kein Problem. Etwas mehr aufpassen muss man da schon auf den 6 Kehren, die zur Edelweisspitze hinaufführen. Diese letzten Höhenmeter bis 2577 m muss man auf reinem Kopfsteinpflaster bewältigen. Hier hat wohl auch einer der Biker bei einer Rechtskehre abwärts nicht richtig aufgepasst. Jedenfalls gab es einen Stau und jede Menge Diskussionen, wie wir von oben sehen konnten. Aber es ist wohl nichts schlimmes passiert. Überhaupt haben wir nicht viele Unfälle gesehen oder von ihnen gehört, drei insgesamt. Ein Biker, den wir auf dem Staller Sattel trafen, hatte seine demolierte Verkleidung auf die Rücksitzbank geschnallt...

Auf der Edelweisspitze haben wir uns dann auch eine ganze Zeit aufgehalten, zu phantastisch war der Rundblick hier. Den Großglockner und den Gletscher (nebenbei: der längste der Ostalpen: 10 km) konnte man ebenso schön sehen wie das "ferne" Zell am See im Tal unten. Ein Biker erzählt mir, dass man von hier bei gutem Wetter 37 Dreitausender und 19 Gletscherfelder sehen kann. Auch, wenn ich das nicht nachgezählt habe, hier muss man einfach verweilen, innehalten und diese großartige Naturlandschaft genießen.

Aber irgendwann ging's dann im dichten Verkehr weiter. Übrigens: Im Gegensatz zur K75 braucht man der RT und auch der Mille kaum Bremsen zu geben. Der Zweizylinder hat eben eine bei weitem höhere Bremswirkung. Als wir unten angekommen die Temperaturen der Bremsscheiben vergleichen, sind die der RT und Mille allenfalls handwarm, während die K75-Scheibe richtig heiß geworden ist.

Zell am See scheint ein einziger Stau zu sein, als wir dort ankommen. Zum Glück kann man sich auch mit der RT und 2 Koffern noch an den meisten Stellen gefahrlos vorbeischlängeln. Ansonsten hätte uns die Stadt nicht 20 min, sondern leicht das dreifache an Zeit gekostet. Ein paar Straßenschilder "Kitzsteinhorn" lassen mich an das fürchterliche Tunnelunglück dort oben denken. Als passionierter Skifahrer bekomme ich trotz des heißen Wetters gleich eine Gänsehaut bei dem Gedanken...

Wir fahren noch 2 Dörfer weiter und übernachten in Piesendorf. Gleich die erste Pension hatte Zimmer frei, sogar mit einem "Motorradstall". Das hat uns natürlich sofort überzeugt.
 

DI 24.07.01

Am nächsten Morgen geht's vorbei an den Krimmler Wasserfällen auf den Gerlospass hinauf. Kein Vergleich mit dem Großglockner natürlich, aber aufgrund der guten Straße und der abwechslungsreichen Gegend durchaus sehr empfehlenswert zu fahren. Aber Achtung: Es ist der Pass mit der höchsten "Kuhdichte". Entsprechend häufig sind die Hinterlassenschaften der vielen Wiederkäuer.
 

 


 

Es scheint auch ein guter Ort für ein River-Rafting zu sein, jedenfalls stehen überall Schilder und jede Menge Boote auf den Autos. Der Bach (Sulzach?) verläuft eine ganze Zeit an der Straße entlang, so dass man einige Boote fahren sehen kann. Unterhalb des Kreuzjochs (2558 m), kurz vor Zell am Ziller, machen wir nochmals eine kleine Pause, bevor es dann weiter geht zum Achensee. Den Achenpass haben wir auch noch ausprobiert, aber eher unfreiwillig, denn plötzlich waren wir in Kreuth (im Wildbad Kreuth trifft sich einmal im Jahr die CSU-Elite). Also wieder zurück, aber die langgezogenen flotten Kurven sind nach den vielen Kehren auch mal wieder sehr schön.

Und dann, zwischen Vorderriß und Krün, treffen wir auf ein Naturschutzgebiet (Maut: 5 DM), das ein kleines Idyll ist. Natur pur. Eigentlich schade, dass wir nicht mehr Zeit haben, um diese einzigartige Naturlandschaft entlang der Isar etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch für einen ausführlichen Besuch in Garmisch oder im Kloster Ettal war der Drang heimzufahren einfach zu groß. Allein die klasse Strecke vorbei am Linderhof und am Plansee hat uns noch mal kräftig beeindruckt. Leider gibt's von der letzten Phase vor der Autobahn keine Bilder mehr.

Wieder in Ditzingen angekommen, hatten wir exakt 2202 km hinter uns. In 6 Tagen bedeutet das einen Schnitt von genau 367 km pro Tag.
 

Fazit:

Planungs-Inputs für diese Reise waren

  • die ADAC-Motorrad-Karten,
  • etliche Internet-Artikel/Reiseberichte sowie
  • das Buch "Die schönsten Alpenpässe - 50 Motorradtouren" von Rudolf Geser und selbstverständlich
  • die "Alpen-Bibel" von Harald Denzel.

Die Dolomiten (der Großglockner gehört meines Wissens dazu) sind ein einziges Motorrad-Faszinosum. Die Straßenverhältnisse sind überwiegend sehr gut, viele Strecken haben neue Oberflächen (manche so neu, dass ich Mühe hatte, den frischen Teer von Ständer, Felgen und Kunststoffteilen wieder zu entfernen). Nur ganz wenige Straßen sind überholungsbedürftig.

Die Schwierigkeitsgrade sind sehr unterschiedlich. Es gibt Pässe, die man als solche kaum wahrnimmt (z.B. Kartitscher Sattel) und solche, die es "in sich" haben (z.B. die Edelweisspitze am Großglockner). Die 66 kW der RT (eine Person mit viel Gepäck) reichen da gerade noch aus, um auch flott unterwegs zu sein. Thomas' Mille hatte da natürlich keinerlei Probleme. Alberts K75 dagegen war an der einen oder anderen Stelle bereits überfordert. Eines steht jedenfalls fest: Hier kommt jeder Kurvenhungrige völlig unzweifelhaft auf seine Kosten.

Spontane Übernachtungen zu finden ist ebenfalls kein (großes) Problem. Wir haben in Toblach beim 3. Versuch und in Piesendorf bereits beim ersten Versuch unsere Zimmer bekommen. Und zwar zu vertretbaren Preisen von jeweils 45 DM pro Person und Nacht.

Natürlich muss man ein wenig Glück haben mit dem Wetter, aber da steckt man halt nicht drin. Im nächsten Jahr sind auf jeden Fall die französischen Alpen dran: Col du Galibier, Col de la Madelaine, Col de l'Iseran... und wie sie alle heißen. Ich freue mich schon jetzt darauf.

HerbeRT, 15. August 2001
 

 

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