Mit der Sehusa durch die Dänische Südsee 3(3)

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  In Svendborg haben wir dann zum ersten Mal Bekanntschaft gemacht mit einer Technik, die wir bisher nur in Dänemark gesehen haben und die man "Im Päckchen liegen" nennt. Auf dem Bild kann man sofort erkennen, was gemeint ist. Das innere Boot macht am Steg fest, alle anderen am jeweiligen Boot, nur die Vor- und Achterleine wird noch zum Steg geführt. Aber selbst das geht nur bedingt. Ab dem dritten Boot sind die Leinen meist nicht lang genug. So lange kein kräftiger Wind geht, ist das kein Problem.

Ein Problem ist schon eher, wenn man (wir wir) ganz innen liegt und morgens um 8 Uhr los will... Und wenn nachts um 2 die "Äußersten" vom Landgang heimkommen und erst mal über drei Boote hinweg klettern müssen!

 
 
In Dänemark an der Tagesordnung: Liegen "im Päckchen". Das ganz linke Boot ist unsere Sehusa

 
 
 
  Hochinteressant war die riesige Windkraftanlage östlich von Onsevig an der Nordküste von Lolland. Es ist weltweit das größte Windkraftwerk, das im Meer steht! Ein beeindruckendes technisches Meisterwerk. Ebenso beeindruckend, aber nicht technisch, sondern "natürlich", war die Durchfahrt durch den Guldborg-Sund, der die Insel Lolland von der Insel Falster trennt. Fast wie ein Fluss und Natur pur.

Hier in Nyköbing fiel dann plötzlich das Bugstrahlruder aus. Das war zwar nicht schlimm, aber manchmal hilft es doch sehr, insbesondere bei Wind, das Boot dort zu halten, wo man es haben will. Von nun an hieß es, das Boot nur mit dem Hauptruder manövrieren.

In den nächsten Tagen wurde das Wetter insofern schlechter, als der Wind nicht mehr aus West, sondern aus Ost blies, und das zum Teil sehr heftig. Dass das bedrohlich werden könnte, wussten wir (noch) nicht.

 
 
Sehusa vor Anker liegend, im Hintergrund der Leuchtturm Falshöft
(ich weiß, es fehlt der
Ankerball)

 
 
 
 

Erst als wir 2 Tage vor Ende unseres Urlaubs von der letzten dänischen Etappe Rodby (dem dänischen Pendant der Vogelfluglinien Fährverbindung Puttgarden-Rödby über den Fehmarn-Belt) in Richtung Heiligenhafen starteten, merkten wir, was ein steifer Nord-Ostwind der Stärke 6-7 auf der Ostsee bedeutet; trotz Hochdruck-Wetterlage mit blauem Himmel und weißen Cumulus-Wolken.

Bereits nach 10-20 min merkten wir, dass die Wellen hier draußen immer höher wuchsen. Und dann habe ich noch den Anfängerfehler meines Lebens gemacht und habe die Luv-Seite der Insel Fehmarn als Route beibehalten (der Reiseplanung entsprechend), anstatt sie dem Wetter anzupassen und auf die Lee-Seite zu wechseln.

Die Strafe für diesen Fehler war ziemlich gnadenlos. Die Wellen, die auf das immer flacher werdende Ufer der Insel aufliefen, wurden dadurch immer höher. Ich musste die Geschwindigkeit immer weiter herabsetzen. Zum Schluss konnten wir nur noch an den sich verändernden Bogensekunden auf der GPS-Anzeige erkennen, dass wir uns überhaupt bewegen. Dreimal flog das Boot beim Überfahren des Wellenbergs so hoch in die Luft, dass der Propeller "Luft schnappte" und der Diesel mächtig aufheulte - bei einem 6-Tonnen-Boot!!!

Das Wasser klatschte über das Vordeck, achtern lief es bereits hinter die Persenning und machte Decken und Bezüge nass. Der Scheibenwischer musste permanent laufen, und von innen beschlugen alle Scheiben. Ich hatte große Mühe zu verhindern, dass das Vordeck beim Anlaufen auf die Welle nicht eintauchte. Ständig musste der Gashebel nach vorn und wieder auf Null zurückgeschoben werden, um die Welle "einfach abzureiten". Und die Crew "bei Laune zu halten" war ebenfalls nicht einfach...

Nach einer (verdammt langen!) Stunde war der Spuk innerhalb von wenigen hundert Metern vorbei. Kaum hatten wir die süd-östliche Spitze Fehmarns (das "Staberhuk") hinter uns, wurden die Wellen schlagartig klein und damit wieder völlig problemlos beherrschbar. Als wir in Burgstaaken angelegt hatten, merkten wir, dass hier das schönste Wetter war. Und wir waren sehr erleichtert, um nicht zu sagen: Fix und fertig!

 
 
 
 

Für meine Frau und meinen Sohn war's ein Horrortrip, für meine Tochter eine Achterbahnfahrt, die gar nicht lang genug dauern konnte und für mich der größte Lerneffekt in meiner Skipper-Karriere. Ich verhehle nicht, dass ich ebenfalls Schiss hatte und nicht 100%ig wusste, ob ich alles richtig machte. Für das ausführliche Lesen des Kapitels "Verhalten bei Sturm" in meinem Skipper-Handbuch war es jedenfalls zu spät.

Heute weiß ich, der große Fehler war: Den Wetterbericht nicht richtig zu lesen und loszufahren. Diesen Fehler haben wir nie wieder gemacht. Das wäre uns drei Jahre später in Kroatien auch schlecht bekommen. Dort wütete ein Orkan der Stärke 12 auf dem Kvarner, doch davon berichte ich hier.

Und heute weiß ich auch genau, was man tun muss, wenn man trotzdem in einen solchen Schlamassel hineingerät:

  • flüchten vor dem Sturm: Häfen oder Buchten ansteuern, Lee-Küsten oder Lee-Seiten von Inseln suchen
  • die Rettungsinsel parat legen und die Rettungswesten anlegen (manche Menschen fühlen sich schon sicherer, wenn sie sie nur angelegt haben)
  • Lenzpumpen laufen lassen
  • Crew in Form halten: Hunger, Angst, Kälte und Müdigkeit begünstigen Seekrankheit
  • immer auf den Horizont schauen, das verhindert/verringert ebenfalls Seekrankheit
  • Geschwindigkeit der Form, Höhe und Länge der Wellen anpassen
  • die Wellen nach Möglichkeit in einem Winkel von 30-45 Grad anfahren, auf keinen Fall frontal, d.h. in einem Winkel von 90 Grad
  • ein großzügig motorisiertes Boot lässt sich besser manövrieren
  • Abwettern: die Seen abreiten, nicht ins Surfen geraten (gefährlich, Kentergefahr!)

Und zwei Tage später bei unserer Rückfahrt von Heiligenhafen in die Schlei war die Ostsee absolut windstill - wie ein Dorfteich. Es war phantastisch. Gott sei Dank, denn wir mussten mit einer weiteren Besonderheit dieses Seegebietes umgehen: Dieser Teil der Ostsee ist ein Schießgebiet der Bundesmarine. Zuerst hatten wir an ein Gewitter gedacht, aber ohne Wolken??? Aber es waren tatsächlich Schießgeräusche. Das Schießen wird durch besondere Leuchttürme und durch durch mehrere schnelle Kreuzer mit Warnblinklicht angezeigt.

Und natürlich mussten die Jungs ausgerechnet an dem Tag scharf schießen, als wir nach Hause mussten!!! Es bleibt einem in diesem Fall nichts anderes übrig, als das Schießgebiet weiträumig und entlang der zu diesem Zweck ausgebrachten gelben Warntonnen zu umfahren. Zum Glück war die Ostsee an diesem Tag wie ein Dorfteich: Spiegelglatte Oberfläche. Wir konnten mit "Hebel auf dem Tisch" den Bogen in 2 Stunden bis in die Kieler Förde schaffen.

Dort haben wir noch einen schönen Spaziergang im Olympiahafen gemacht, bevor wir zurück nach Schleswig gefahren sind. Auf dem Weg dorthin sind uns noch zwei Dinge begegnet, die man nicht alle Tage sieht

  • ein U-Boot der Bundesmarine (es gibt hier jede Menge Übungsgebiete für U-Boote)
  • und die beiden Ölplattformen vor Damp:
 
Interessantes unterwegs: Ölplattform "Schwedendeck" in der Ostsee

 
 
  Insgesamt haben wir auf der Distanz von 418 Seemeilen und 53 Betriebsstunden exakt
  •   1,4   Liter pro Seemeile oder
  • 11,2   Liter pro Stunde

verbraucht. Das sind für ein Boote dieser Größe sehr passable Werte.

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