Der Jakobsweg
Pilgerweg(e) zum Grab des Apostels Jakobus, dem großen Missionar der
iberischen Völker
Ein Versuch, den Jakobsweg und seine
Anziehungskraft zu
beschreiben
Es heißt, der Jakobsweg beginne
immer dort, wo ein Pilger gerade aufbricht - egal, an welchem konkreten
Ort das gerade ist. So ungefähr erging es uns auch. Zwar kannten wir den Begriff schon vorher, aber seinen
tieferen Sinn und seinen Mythos haben
wir erst hier, in den Pyrenäen und den Landschaften Nordspaniens,
erfasst. Wir sind auch nicht annähernd größere Entfernungen auf diesem
Weg gelaufen, aber wir
haben uns immerhin intensiv mit seiner Geschichte,
seinem Sinn und seiner Mystik befasst.
Durch sein "hohes Alter" von über 1.000 Jahren, seine alltägliche
Gegenwart, besonders in den westlichen Pyrenäen, und nicht zuletzt
durch
Berichte in der Presse sowie durch
Wanderungen
einiger Prominenter hat uns der Jakobsweg von der ersten
Begegnung an in seinen
Bann geschlagen. Sogar bei den Urlaubsvorbereitungen hat er bereits eine Rolle
gespielt. Denn wir haben uns das Buch "Ich bin dann mal weg" von Hape
Kerkeling als Hörbuch beschafft und auf den beiden längeren Abschnitten zwischen den Hotels
unterwegs im Auto
von Ost nach West mit großem Genuss gehört.
Wenn man sich mit dem Jakobsweg beschäftigt, dauert es nicht lange, bis
dass man seiner Faszination erliegt - ganz egal, ob man nun besonders religiös ist oder
gar nicht. Allein durch seine Historie und seine Mythen. Wenn man sich dann
zusätzlich noch in diesen wunderbaren, oft sehr einsamen Landschaften Nordspaniens befindet, kann man gar
nicht mehr anders! Man "muss" sich mit ihm auseinandersetzen! Er zwingt
sich einfach auf. Er lässt Dich nicht in Ruhe. Er ist einfach permanent
"da".
Was ist der Jakobsweg? Im mittelalterlichen Christentum
gab es drei große Pilgerwege. Gleichberechtigt nebeneinander gab es die
Pilgerreisen nach Die im fernen Nordwesten der iberischen
Halbinsel gelegene Stadt Santiago
wurde in den Jahrhunderten danach die dritte aller bedeutenden
Pilgerwege der Christenheit. Die eigentliche Ursache dafür liegt in dem
(vermeintlichen, denn es ist historisch nicht gesichert) Fund des
Leichnams des Heiligen Jakobus, des Apostels Jesus'. Damals wurde Santiago de Compostela zur
Pilgerstadt. Der "Camino Francès" ist der klassische Jakobsweg, der Jakobsweg im
"engeren Sinne", im Bild unten fett rot.
Er ist eine der bedeutendsten Kulturstraßen Europas. Wenn man also vom Jakobsweg spricht, dann meint man in aller Regel jene
im Norden Spaniens
von Ost nach West verlaufende Strecke von rund 800 km
Länge über Berge, Täler, Wege und Straßen bis nach Santiago de Compostela.
Zwei Hauptzweige, ein französischer und ein spanischer, führen aus den
Pyrenäen bis nach Puente la Reina, wo sie sich auf der Brücke über den
Fluss Arga vereinigen. Von dort führt DER JAKOBSWEG den Pilger quer
durch das Baskenland, durch die Provinzen Navarra, Kastilien
und Galizien
bis vor die Kathedrale von Santiago. Dabei verbindet er die
ehemaligen Königsstädte Jaca, Pamplona, Estella, Burgos und Leon. Zum Jakobsweg im weiteren Sinne gehören dann aber eben auch noch
sämtliche Zugänge, die es überall und quer verstreut in ganz Europa
gibt. Diese werden terminologisch richtig als "Wege der Jakobspilger"
bezeichnet. Hier in den Pyrenäen heißen aber alle diese Wege "Camino de
Santiago".
Hier auf diesem Bild sieht man die Struktur der Wege sehr
gut. |
Um den Jakobsweg "richtig" zu gehen, muss man mindestens die letzten 100 km der Strecke zu Fuß oder die letzten 200 km zu Pferd oder mit dem Fahrrad zurückgelegt haben. Als Beleg dafür dient der Pilgerausweis, der auch zur Nutzung der preisgünstigen (aber nur wenig komfortablen!) Pilgerherbergen und zum Tragen der entsprechenden Abzeichen berechtigt. Letztere kann man sich übrigens auch ins eigene Grab legen lassen. In Santiago erhalten alle Pilger mit komplett ausgefülltem Ausweis dann eine Urkunde, eben die "Compostela". Manche Pilger gehen von Santiago aus noch weitere 80 km westlich, in das spanische Fisterra (am Kap Finisterre), um eine echte (mittelalterliche) "Randerfahrung" zu machen, zum Meer nämlich. Bis in Kolumbus' Zeitalter hinein hielt man nämlich Finisterre für das Ende der Welt, an dessen Gestaden sich das Ende und die Ungewissheit der Welt in den wilden, furchterregenden Stürmen des unbekannten atlantischen Golfs von Biscaya vereinten - weshalb es wohl auch genau diesen Namen bekommen hat. Man darf das ruhig wörtlich nehmen: "Fini Terre" - das Ende der Welt. Dabei galten noch viele andere Lokationen als das "Ende der Welt":
Auf einer "Scheibe" gibt es halt viele "Weltenden"! Aber zurück zum Thema! Die wichtigsten Elemente des Jakobswegs Hape Kerkeling beschreibt seine Pilgerreise nach unserem Eindruck ziemlich realistisch und ohne schmückendes Beiwerk. Wie er, legen die meisten Pilger den Jakobsweg in ein paar Wochen zurück. Und nicht jeder, der die beschwerliche Reise beginnt, bringt sie auch zu Ende. Nur 30% aller Pilger kommen auch erfolgreich in Santiago an! Aber allen Pilgern sind 4 Utensilien gemeinsam, als da sind: 1. Der Rucksack
2. Die Jakobsmuschel
3. Der Sorgenstein
4. Der Pilgerpass
Mythen und Sagen Um den Jakobsweg und seine Muschel ranken sich sehr viele Legenden. Das Internet ist voll davon, wenn man danach sucht. Zum Beispiel das "Hühnerwunder", das wir in einer Jakobswegnotiz fanden, nachdem wir die Erfahrungen von Kerkeling in Santo Domingo de la Calzada gehört hatten: Auf der Pilgerschaft nach Santiago de Compostela übernachtet eine deutsche Familie, Vater, Mutter und Sohn, in einem Gasthaus in Santo Domingo. Die Tochter des Wirtes verliebt sich in den jungen Mann. Vergeblich bietet sie ihm ihre Gunst an. Da sie zurückgewiesen wird, verwandelt sich ihre Liebe in Hass. Unbemerkt steckt sie ihm einen silbernen Becher in seinen Sack. Sobald der Wirt den Diebstahl bemerkt, lässt er die Pilger verfolgen. Der Becher wird beim Burschen gefunden. Der eilends herbeigerufene Richter lässt ihn hängen. Unter Gebeten setzen die betrübten Eltern den Pilgerweg fort. Als sie bei der Rückkehr wieder am Galgen vorbeikommen, vernehmen sie jedoch die Stimme des Gehenkten: "Liebe Eltern, grämt Euch nicht, denn ich bin gar nicht tot! Santiago hat mich gehalten." Man hastet zum Richter und erzählt ihm davon. Der sitzt gerade beim Mittagessen und will nicht gestört werden. "Eure Geschichte kann so wenig wahr sein und euer Sohn so wenig lebendig wie diese frisch gebratenen Hahn und Henne auf meinem Teller wieder lebendig werden." Da flattert das bereits gerupfte Federvieh auf, und laut krähend bekräftigt der Hahn die Wahrheit. Statt des Unschuldigen wird daraufhin die Verleumderin gehenkt. Warum wir das so ausführlich erzählen? Nun, in der Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada werden bis zum heutigen Tag ein Huhn und ein Hahn lebend in einem Käfig gehalten. So tief ist in Spanien der christliche Glaube verwurzelt - bis heute. Um so erstaunlicher ist es, dass gerade
diese Spanier in gerade diesem Jahrhundert nach der Entdeckung Amerikas
durch Kolumbus als "Weltmacht des Mittelalters" einen ganzen Erdteil
(Südamerika) gnadenlos unterwarfen und seine Völker und Kulturen
entweder in kaum zu überbietender Brutalität vernichteten oder Ihnen
ihren eigenen Glauben, ihre Kultur und ihre Sprache erbarmungslos
überstülpten und kolonisierten. Seit 1993, also dem Jahr, ab
dem der Weg zum UNESCO-Weltkulturerbe gekürt wurde, stieg die Zahl der Pilger sprunghaft an. Bis zu 180.000
Menschen beschreiten jährlich die historische Route. Zu den bekanntesten Pilgern
zählen Papst Johannes Paul II, Schauspielerin Shirley McLaine,
Werbeikone Verona Pooth, Schauspieler Kristian Kiehling, die Entertainer Hape Kerkeling und Frank Elstner
oder die amerikanische
Präsidententochter Jenna Bush. Sinnfindung Pilgerschaft: Warum erlebt der Jakobsweg derzeit eine Renaissance? Ein paar mögliche Antworten:
Das besondere Jahr 2010 Wenn der Namenstag (das ist meist der Todestag eines Heiligen) des Jakobus, das ist der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt, dann gilt das unter Jakobspilgern als ein "heiliges Jahr", das sogenannte "Heilige Compostelanische Jahr". In manchen Quellen wird es auch als das "Gnadenjahr" bezeichnet, da Christen in diesem Jahr in besonderer Weise um die Lossprechung ihrer Sünden bitten können, in gewisser Weise also eine "General-Absolution". In der Kathedrale von Santiago wird zu diesem Zweck am Silvestertag des Vorjahres eine besondere Tür, die "Heilige Pforte", geöffnet und anschließend ein "besonderes heiliges Jahr" ausgerufen. Der Ursprung dieser "heiligen Jahre" geht auf eine päpstliche Anordnung aus dem Jahre 1179 zurück. Das war auch der Grund für die besonders hohe Zahl von Pilgern im
Jahre 2004. Und deshalb darf man wohl annehmen, dass die Pilgerzahl auch
in 2010 eine besondere Höhe annehmen wird. Man darf gespannt sein. Das
nächste heilige Jahr des Jakobus ist übrigens erst das Jahr 2021. Fazit Unser Ziel war es lediglich, die ersten zwei Stationen des Weges - Saint-Jean-Pied-de-Port (F) und Roncesvalles (E) sowie das Städtchen Puente la Reina zu besuchen und die Historie und die Magie, die der Jakobsweg auf viele Menschen ausübt, zu verstehen. Das haben wir auf jeden Fall erreicht. Der Jakobsweg ist im Grunde "nur" eine Idee, ein "Vehikel", um seinen persönlichen, individuellen Weg zu Erkenntnis und Erlösung zu finden. Nach allem, was wir gelesen und hier vor Ort gehört, gesehen und erlebt haben, machen sich die meisten Pilger nicht auf den Weg einer religiösen Reise voller Spiritualität und innerem Wandel. Aber rückblickend war es das dann für viele! Vielleicht ist genau das der "Trick", vielleicht funktioniert der Camino de Santiago ja genau so! Und obwohl wir den Jakobsweg nur ein paar km gegangen sind, einen kleinen Hauch davon haben sogar wir als nicht streng Gläubige davon mitbekommen - hier, mitten in den Pyrenäen, auf den Spuren des heiligen Jakobus. |