Stilfser Joch und Silvretta 2008


Dreiländereck - die Zweite!

Schon wieder Dreiländereck? Ja! Schon wieder! Und aus alter Verbundenheit bei "unserer" Familie Gabl in Pfunds (A), bei der wir als Familie schon oft im Winterurlaub zu Gast waren, bin ich diesmal wieder dorthin gefahren. Aber der Hauptgrund ist natürlich die ausgezeichnete Eignung als Motorrad-Revier. Aus der langen Liste von sehr guten Gründen für dieses herausragende Motorrad-Eldorado zähle ich hier nur die wichtigsten auf:

  • Außer der Region Andermatt in der CH (630 km nur Autobahn) gibt es keine zweite Motorrad-Region mit einer derart großen "Passdichte", die aus dem Rheinland ähnlich schnell zu erreichen wäre, es sind nur ca. 650 km. Alles andere ist weiter weg: Französische Alpen etwa oder die Dolomiten.

  • Eine Vielzahl von herausragenden Zielen liegt hier in der unmittelbaren Nähe (im Umkreis von nur ca. 100 km) beieinander. Erwähnen möchte ich hier aus der langen Liste nur:
    - Nord: Silvretta, Arlberg, Hahntennjoch, Kühtaisattel, sowie die Städte Garmisch und Innsbruck
    - West: Julier, Albula, Flüela, Safien-Tal sowie Davos und St. Moritz
    - Ost: Brenner, Timmelsjoch, Jaufenpass, Penserjoch sowie Meran, Bozen und Sterzing
    - Süd: Stilfser Joch, Gavia, Umbrail, Bernina, Foscagno, Livigno sowie Bormio und Madonna di Campiglio

  • Die Preise für Unterkünfte befinden sich noch auf Normalmaß! Ich habe 29 € für ein Einzelzimmer mit Frühstück bezahlt. Wo bekommt man das heute noch?

  • Und das Beste: Das Benzin ist schlappe 0,40 € pro Liter billiger als in D. Nein, das ist kein Verschreiber! Es sind zur Zeit (Juli 2008) exakt 40 ct weniger für jeden Liter! Also satte 8 € für jede Tankfüllung, beim Auto sind es fast 30 €. Woher das kommt? Nun, kaum jemand weiß, dass Samnaun seit ca. 1800 zollfreies Gebiet ist, weil dieser Teil der CH nur über Straßen in Österreich zu erreichen ist. Die Schweizer Staatsregierung versucht zwar immer wieder, diese Sonderregelung abzuschaffen, scheitert aber regelmäßig. Also fährt man zum Tanken eben die 10 km dort hinauf.

  

Devise: Warten auf schönes Wetter

Seit Wochen stehe ich in den Startlöchern, um den ersten Versuch eines Wochenendmotorradurlaubs in dieser Region zu starten und zu testen, ob es lohnt, für nur 2 Tage diese Anreise zu wagen. Und soviel gleich vorweg: Ja, es lohnt sich!

Am 26. und 27. Juli war es endlich soweit: Gutes Wetter vom Arlberg bis zum Gardasee. Die Anreise nach Pfunds dauert allerdings etwa eine Stunde länger als nach Andermatt, da man ab Füssen noch 140 km Landstraße über den Fernpass hat und hier sehr viele Touris unterwegs sind. Man muss zwischen 6 und 7 Stunden rechnen, je nach Tageszeit und Verkehr. Entsprechend früh losgefahren bedeutet dies: Zwischen 10 und 11 Uhr bin ich mit dem Motorrad startklar.
 

  

Fotos

 

Route 1: Stilfser Joch, Gavia und Livigno

Ein erster Stopp ist natürlich am Reschensee fällig. Und ein Foto vor dem untergegangenen Kirchturm ist ebenso obligatorisch. Die Königin der Alpenpässe (wie das Stilfser Joch genannt wird) steht dann als nächstes auf dem Programm. Ich kenne die Strecke inzwischen von beiden Seiten recht gut. Einmal mit dem Auto und zweimal mit der RT. Aber auch beim vierten Mal übt dieser Pass eine große Faszination auf mich aus. Oben sehe ich noch denselben Würstchenverkäufer wie in 2005. Aber das große Passhöhenschild wurde entfernt! Ich habe es nirgendwo anders entdecken können!

Die Strecke des Gavia-Passes ist sehr schlecht. Wenn man bedenkt, dass dieser Pass erst 1999 asphaltiert wurde (2000 bin ich ihn zum 1. Mal gefahren, da war die Oberfläche noch sehr gut) ist er heute in einem jämmerlichem Zustand. Löcher, Risse und eine große Baustelle oben auf der Passhöhe. Leider schaffe ich die Südrampe zeitlich nicht mehr, denn ich möchte unbedingt noch den Lago Livigno erreichen.

Auf dem Weg dorthin passiere ich den Passo d’Eira und Passo Foscagno. Beide kenne ich auch schon aus 2000 und 2005. Er wird immer wieder gern genommen. Viel bessere Oberfläche als der Gavia. Und oben auf der Passhöhe des Foscagno gibt es inzwischen auch keine Grenzkontrollen mehr. Noch in 2005 wurde ich von einem Grenzbeamten aufgefordert, ihm den Film auszuhändigen, weil ich militärische Anlagen fotografiert hätte. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.

Hier fährt plötzlich ein Gespannfahrer mit einer umgebauten R12S vor mir her, der erstaunlich flott die Kurven nimmt. Eine ganze Zeit fahre ich hinter ihm her und beobachte seine Technik. An einer Ampel fahre ich schließlich neben ihn und sage anerkennend: "Ich wusste ja gar nicht, dass man mit einem Gespann so flott unterwegs sein kann!?" – "Na, da wirst du aber staunen!" ist die prompte Antwort. Und dann geht’s erst richtig los!

Junge, Junge! In den Rechtskurven kann ich ja noch bequem mithalten. Aber wohl nur, weil im Beiwagen niemand sitzt und der dadurch abzuheben droht. Aber die Linkskurven kann der BMW-Fahrer aus Schleswig eindeutig schneller fahren als ich - und das, obwohl links meine "Schokoladenseite" ist. OK, beim Herausbeschleunigen ist er natürlich absolut chancenlos, aber in engen Kurven ist er klar schneller. Ich bin tief beeindruckt und revidiere ein wenig mein Vorurteil, dass ein Gespann die Nachteile des Autos (Zweispurigkeit) mit den Nachteilen des Motorrads (Dachlosigkeit) vereint. Apropos Zweispurigkeit: Das ist (neben dem Gewicht) auch der Grund, warum ich ihm letztendlich dann doch bequem davonfahren kann, denn er muss überholen wie ein Auto, und das dauert bekanntlich länger.

Unten angekommen entdecke ich, dass Livigno nicht nur ein herausragender Wintersportort, sondern auch im Sommer sehr schön und attraktiv ist. Ein sehr ansprechendes Städtchen mit Gelegenheiten zum Flanieren und Shopping. Darüber hinaus erzählt mir jemand, dass man auch hier zollfrei tanken und einkaufen können soll. Leider habe ich aber keine Zeit, das nachzuprüfen!

Nach einer Pause am See und in der Sonne fahre ich weiter direkt am See entlang bis zur Grenze, die hier durch den Staudamm gebildet wird. Dahinter befindet sich ein nur einspurig befahrbarer Tunnel, der auch noch 7 € Maut kostet. Über den Ofenpass hinweg geht es weiter über Müstair zurück nach Pfunds.
   

Route 2: Silvretta und Arlberg

Schon die Anfahrt durch das Tal entlang der Gebirgsgruppe des Silvretta ist sehr interessant. Ich fahre durch Ischgl, wo wir schon einige Male mit der ganzen Familie Ski gelaufen sind. Und danach auch durch Galtür, wo in 1999 die Schlammlawine große Verwüstungen angerichtet und 31 Todesopfer gefordert hat. Interessant finde ich, dass man hier aus der Katastrophe gelernt hat und an etlichen Stellen riesige Steinwände aufgebaut hat, welche die dahinter stehenden Häuser zukünftig vor den Schlammmassen schützen sollen. Sie sehen gigantisch aus, fügen sich aber durch ihre großen Steinquader sehr gut in die Umgebung ein. Hoffentlich hilft’s!

Dann geht es so langsam bergan. Zum Glück ist die Straße sehr übersichtlich, so kann man frühzeitig die vielen Kühe (und deren Hinterlassenschaften) erkennen. Den Silvretta bin ich auch schon 2x gefahren, aber immer von Ost nach West. Und damit den besonders kurvenreichen Westteil immer nur bergab. Diesmal kann ich es mir zeitlich leisten, die Westrampe gleich dreimal zu fahren. Also vom Stausee an der Bieler Höhe hinab ins Tal, die 40-50 Kurven wieder hinauf - und noch einmal hinab. Einfach phantastisch! Das setzt jede Menge Serotonin (ein Glückshormon) frei!!! ;-)

Aber man muss gut aufpassen hier. Zahlreiche Autofahrer holen weit aus vor den Kurven und schneiden sie. Sogar um Radfahrer muss man wie um Pelonen herumfahren, da sie (wohl aus Angst vor schneidenden PKW’s) oft am Mittelstreifen fahren.

Unten an der Mautstation mache ich eine Pause und beobachte das Treiben, während ich mein zweites Frühstück in Form eines Brötchens und einer Cola zu mir nehme. Irgendwie finde ich 10,50 € ganz schon teuer für eine Fahrt. Aber der Kassierer, den ich zu einem kurzen Gespräch animieren kann, erklärt mir, dass der Pass in Privathand ist, die Kosten kaum gedeckt seien und immer mal wieder diskutiert werde, den Pass für die Öffentlichkeit ganz zu schließen. Interessant ist auch, dass auch die ausfahrenden Fahrzeuge noch einmal kontrolliert werden. Schließlich könne man ja - so lerne ich es hier - oben übernachten und dann müsse man am nächsten Tag noch einmal bezahlen. Dafür kann man aber abends (habe leider vergessen zu fragen, ab wann), kostenlos über den Pass fahren, da er nachts nicht geschlossen wird und die Kassenstationen natürlich nicht besetzt sind. Komische Regelung!

Dann kommt die langweiligste Straße des Tages: Von Partenen über St. Gallenkirch bis nach Bludenz. Und das mit Tempo 60. Aber die Strecke Ludesch - Ragal - Fontanella hinauf auf das Faschinajoch entschädigt dafür. Zwar mit 1.486 m nicht hoch, aber eine wirklich klasse Straße, super Gegend und kaum Verkehr. Nur eine kleine Baustelle mitten im Wald gibt Anlass für Kritik. Der Hochtannbergpass ist mit seinen 1.675 m zwar auch nicht viel höher, aber auch er bietet viele Kurven und wenig Verkehr. Die Strecke über Schröcken ist genial, flott zu fahren, übersichtlich und hat eine sehr gute Oberfläche. Aber noch besser ist die Strecke von Warth nach Lech und Zürs. Steile Hänge, Schluchten, teils sehr enge Straßenverhältnisse machen die Fahrt zu einem großen Vergnügen! Ich habe zwar kaum Polizei gesehen, aber einige Biker erzählen mir wahre Horrorgeschichten über Knöllchen. Also aufpassen!

In Lech - das mir übrigens viel besser gefällt als Zürs - nehme ich einen Cappuccino und wundere mich gleichzeitig über den noch akzeptablen Preis von 2,80 €. Das nächste Stück führt mich über den Arlbergpass bei St. Christoph nach St. Anton. Schade, dass hier im Moment so viel gebaut wird. Es gibt immer mal wieder eine kleine Schotterstrecke!

Hier in St. Anton beginne ich zum ersten Mal zu zweifeln, ob ich es trocken bis nach Pfunds schaffe. Die Erfahrung, dass sich im Hochgebirge eben doch jederzeit das Wetter ändern kann, ist ja nicht neu. Für die letzten 50 km heim nach Pfunds muss ich also doch noch die Regenkombi herauskramen.
 

Mein Fazit für 640 km (350 am 1. und 290 am 2. Tag) erhöhten Motorradspaßfaktors verkürzt noch einmal meine Aussage von ganz oben:

  • eine Alpenregion mit herausragenden Pässen
  • vergleichsweise schnell zu erreichen
  • sehr preiswerte Unterkünfte
  • Benzin in Samnaun ist ca. 30% billiger

Und lohnt sich die Anreise und der Aufwand für 2 Tage? Nun, der eine Tag in Andermatt war mit An- und Abreise schon sehr anstrengend. Aber diese Variante hier mit einer Übernachtung macht die Tour zu einem veritablen Wochenendspaß ohne jegliches Schlafdefizit, die ich jederzeit gern noch einmal wiederhole!

 

 

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