Simulationsflug Boeing 767 6(6)

1     2     3     4     5     6


Mein Simulationsflug mit der B767-300

Dieses letzte Kapitel ist mein persönliches "Flugerlebnis". Genau so habe ich es erlebt, und es hat - ich gestehe es - Appetit auf "mehr" gemacht. Wenn da nur nicht der Preis wäre…

Nach dem Briefing, was (wie schon erwähnt) eher für Anfänger gedacht ist, werden wir in eine große Halle geführt. Dort stehen gleich mehrere Simulatoren auf ihren "Stelzen" herum. Der letzte ist "unser". Ein paar Minuten ist er noch "in Flight" (eine rote Anzeige über der Tür), dann "gehört" das Gerät uns! Eine Gangway wie auf einem Schiff wird elektrisch heruntergefahren, und wir besteigen unser Cockpit. Die Reihenfolge der drei "Piloten" ist schnell ausgemacht. Ich bin zunächst Beobachter. Das befriedigt zwar nicht sofort die komplette Ungeduld, hat aber andererseits den Vorteil, sich schon mal an die Umgebung gewöhnen zu können.
 


Ein schönes Erlebnis

Der Instruktor erklärt noch einmal ganz kurz, wo die im Briefing erklärten Bedienungselemente liegen und dann geht’s los. Als Beobachter kann man sich schon mal gut mit der "außen" dargestellten "Welt" vertraut machen. Ich sehe die aus der PC-Simulation äußerst bekannte Runway 25R vor mir, durch das rechte Fenster sehe ich andere Flugzeuge an den Terminals stehen sowie die komplette Airportanlage. Nach links sieht man die Taxiways, die hinüber zur Runway 25L führen. Geniale Szenerie! Auch während der weiteren Flüge und Procedures kann man sich als Beobachter recht gut an die Gesamtsituation gewöhnen.

Im zweiten Drittel nehme ich auf dem rechten Stuhl Platz. Das Durchflöhen von Checklisten und der Funksprechverkehr findet per Definition nicht statt. Wir sind auch das einzige Flugzeug und können sofort starten. Meine Aufgabe vor dem Start besteht lediglich darin, die Flaps auf 15° zu stellen, das war’s. Und nach dem Abheben der Maschine ziehe ich erst das Fahrwerk ein, bevor ich ab ca. 2.500 ft die Flaps erst auf 5°, dann 1° und schließlich komplett einfahre. Die Kommandos dazu kommen allerdings von Instruktor, nicht vom PIC. Der PF ist sehr stark damit beschäftigt, Steigwinkel und Geschwindigkeit sowie die seitliche Fluglage beizubehalten. Während der zwei Turns des PF kann ich ein wenig in der Gegend herumschauen. Ich sehe vor allem den Taunus, wenn ich rechts aus meinem Fenster schaue, sowie den Rheinbogen und das Rheintal bei Bingen. Beim Landen habe ich als PNF geringfügig mehr zu tun, da die Flaps ein paarmal öfter bedient werden müssen. Auch das Fahrwerk auszufahren ist mein Job. Für die eigentliche Landung bin ich zur Untätigkeit verdammt.

 

Procedure 1: Start

Aber dann kommt der für mich wohl spannendste Teil der ganzen Geschichte. Auf dem Sitz ganz vorne links eines Großraum-Jets Platz zu nehmen, ist schon irgendwie ein erhabenes Gefühl. Der Stuhl wird wie in Oberklasse-Autos elektrisch eingestellt. Aber anders als beim Auto bewegt sich der Stuhl auch seitlich, in diesem Fall von der linken Seite mittig vor das Steuerhorn, so dass der Sitz nun an der Mittelkonsole anliegt. Das seitliche Wegfahren soll das Aussteigen ermöglichen.

Ich fühle mich auf Anhieb wohl hier. Das Overhead-Panel bleibt für mich zwar komplett "im Dunkeln", aber die Hauptinstrumente vor mir, das Navigations-Panel und eine ganze Reihe von Schaltern auf der Mittelkonsole kommen mir sehr bekannt vor. Ich habe kein Problem, mich zurecht zu finden. Suchen muss ich einen Moment nach der N1-Anzeige, die bei Start und Landung die Drehzahl/Schubkraft der Triebwerke anzeigt.

Der PNF stellt die Flaps auf 15° und los geht’s. Ich drücke den Schubkraftregler komplett nach vorn. Dabei vergesse ich, auf die N1-Anzeige zu achten, aber sie wird wohl 95-100% angezeigt haben. Erst gar nicht, dann langsam, dann nach ca. 3 sec spürt man die Beschleunigung sehr heftig. Eigentlich muss der PF bis zum Erreichen der V1 die Hand auf dem Schubhebel lassen und dann bewusst herunter nehmen, aber das schenke ich mir. Ich habe genug zu tun, um ein Gefühl für diese Pedale zu bekommen und den Flieger auch nur halbwegs auf der Centerline zu halten - das ist wirklich schwer, und es gelingt mir auch nicht vollständig. Die Pedalbedienung macht mir mehr Schwierigkeiten als erwartet! Aber "richtig üben" geht leider nicht, dazu fehlt leider die Zeit.

Schließlich erreicht das Flugzeug die VR = 140 kn. Ich ziehe das Steuerhorn leicht an mich heran. Die Nase hebt sich in die Luft, die Rollgeräusche wollen 2-3 sec lang gar nicht aufhören, dann aber "fliegt" das Flugzeug. Sobald eine positive Climbrate erkennbar ist, fährt der PNF das Fahrgestell ein. Bei genau 17° Steigwinkel muss das Horn wieder etwas nach vorn gedrückt werden, um die Geschwindigkeit auf ca. 170 kn (Anordnung des Instruktors) bis zu einer Höhe von 2.500 – 3.000 ft konstant zu halten. Dabei klettert die Steigrate (wenn ich es richtig in Erinnerung habe) auf ca. 5.000 - 6.000 ft/min.

Erst bei Erreichen einer Höhe von ca. 2.500 ft nehme ich Schub zurück auf ungefähr N1 = 60-70%. Gleichzeitig setzt der PNF die Flaps erst auf 5°, dann 1° und zuletzt auf Null Grad. Jetzt beschleunigt die Maschine auch wieder. Kurz vor Erreichen der 250 kn Grenze reduziere ich die Triebwerksleistung noch einmal, auf ca. 50%. Ich versuche, den Steigflug der Maschine zu beenden und auf ca. 3.500 ft einzupegeln. Das gelingt auch ganz gut, allerdings benötige ich dafür eine große Kraftanstrengung in den Oberarmen. Der Instruktor erklärt mir, dass das Flugzeug noch nicht getrimmt ist. Stimmt, denke ich, und drücke die beiden Tasten am linken Steuerhornende nach unten. "Das wird ja noch schwerer!" entfährt es mir. "Dann haben Sie zur falschen Seite getrimmt!" ist wiederum die Antwort. Also die beiden Tasten nach oben gedrückt und sofort spüre ich, wie die Kraftanstrengung verschwindet. Noch zwei- dreimal nachkorrigieren - und der Vogel fliegt. Jetzt macht es richtig Spaß!

Ich fliege einen Rechts-Turn und lege das Flugzeug kräftig in die Seite. "Sie sollten auf keinen Fall mehr als 30° fliegen!" höre ich die warnende Stimme hinter mir. "Für das Flugzeug kein Problem - aber Ihre Passagiere mögen das überhaupt nicht!". Die anschließende Linkskurve nehme ich dann etwas behutsamer. Ich staune (auch im Nachhinein!), wie leicht sich dieses Riesenflugzeug kontrollieren lässt.

 

Landung 1:

Der Instruktor stellt mir das Flugzeug auf ca. 3.500 ft "in die Luft". Der Airport "EDDF" ist nun ca. 20 km entfernt. Das ergibt fast genau einen Gleitwinkel von 3°. Auch die PAPI-Befeuerung ist bereits zu sehen. Der PNF stellt die Flaps auf 15°, und es geht los. Ich versuche zunächst, anhand des Variometers die Maschine auf ca. 700 ft/min zu stabilisieren. Das entspricht bei 250 kn etwa dem 3°-Winkel. Dann nehme ich den Schub auf N1 = ca. 40% zurück, denn wir müssen mit Tempo 140 kn aufsetzen. Bei ungefähr 200 kn schiebt der PNF die Flaps auf 20°. Das verringert die Geschwindigkeit weiter. Inzwischen ist das PAPI sehr klar erkennbar. Deshalb muss ich immer wieder kleine (!) Korrekturen anbringen: Das Horn sanft nach links oder rechts oder auch nach vorn oder hinten bewegen. Und immer wieder den Blick auf PAPI und Variometer. Bei Tempo 180 kn und später bei 150 kn werden die Flaps weiter ausgefahren: Erst 25°, dann 30° (full). Spätestens jetzt muss der Schub wieder erhöht werden auf N1 = 45-50%. Nachdem das Fahrwerk ausgefahren wurde, wird der Schub nochmals erhöht, jetzt auf ca. 55-60%. Das reicht aus, um die Maschine bei 3° und mit 140 kn aufzusetzen.

Den Outer-Marker habe ich nicht wahrgenommen, aber der Middle-Marker und Inner-Marker ist nun nicht mehr zu übersehen. Nun kommt der Short-Final, das spannendste an der ganzen Landung! Die Füße schnell nochmal richtig vor die Pedale stellen (laut Instruktor: Hacke auf den Boden) und letzte Korrekturen mit dem Steuerhorn. Eine laute Computerstimme hat bereits mehrfach (ab 1.000 ft) die aktuellen (relativen) Höhen angegeben. Kurz vor dem Aufsetzen nehme ich den Schubhebel komplett zurück (die Hand muss nun dort liegenbleiben) und hebe die Flugzeugnase etwas an. Dann kommt der Touch-Down.

Rumms - ein Gefühl wie bei einer richtigen Flugzeug-Landung! Irre!!! Von hinten höre ich des Instruktors Stimme: "Und jetzt die Nase 'runter!" Ich tue wie befohlen, aber scheinbar etwas gefühllos, denn das Bugrad knallt heftig auf den Boden - was dem Instruktor nicht besonders gut gefällt und er mir auch sofort mitteilt. Aber ich höre es kaum. Denn was jetzt kommt, hat mir am meisten Probleme verursacht: Dieses Riesenteil mit den Füßen zu lenken. Um ehrlich zu sein: Ich eiere ganz schön von rechts nach links um die Centerline drumherum. Aber immerhin, es gelingt, den Vogel auf der Runway zu halten. Und gleichzeitig zum Lenkabenteuer muss mit der rechten Hand die Schubumkehr betätigt werden. Erst auf Raste 1, dort werden die entsprechenden Öffnungen im Triebwerk frei, und dann auf Stufe 2, die erst den richtigen Reverse-Schub erzeugt. Bei geringer Geschwindigkeit dann wird der Hebel wieder in seine Ruheposition gelegt.

Dann hält der Simulator an, das Bild der Runway verschwindet - wow!!! Die Spannung löst sich. Ich bin richtig ins Schwitzen gekommen!

 

Landung 2:

Die vierte Procedure läuft exakt genauso ab. Allerdings baut mir der Instruktor nun (obwohl ich darum gebeten habe, "so etwas" zu unterlassen!!!) ein paar Schwierigkeiten ein. Als erstes setzt er mir einen schönen Seitenwind, den ich erstaunlicherweise sofort bemerke und mich auch darüber "beschwere", aber von hinten höre ich nur "Sind nur ein paar Böen, das hört gleich wieder auf!" Ich kämpfe noch ein wenig mit dem Wind und tatsächlich, es wird wieder leichter steuerbar.

Eine Minute später ertönt ein lautes Klingeln und mehrere knallrote Warnlämpchen gehen in meinem Cockpit an. Ich lese nur "Fire" - und weiß sofort, wem ich das zu verdanken habe. Ich rufe meinem Instruktor lauthals zu, er möge doch bitte das Feuer "wieder ausschalten" und bekomme ein "OK, Captain, Feuer ist gelöscht!" zur Antwort. Unter uns: Ich glaube, das hat ihm mehr Spaß gemacht als mir.

Wie auch immer, die 2. Landung war noch etwas gleichmäßiger als die erste. Dafür habe ich das Aufsetzen sozusagen in den Sand gesetzt. Ich hatte mich ganz auf meine Pedale konzentriert und dabei die Nase der Maschine anscheinend nicht richtig hochgenommen, jedenfalls stoppte der Simulator sofort und blieb stehen - ein Crash sozusagen. Dabei hatte ich mit unter 500 ft/min aufgesetzt. Allerdings mit dem Bugrad zuerst, wie sich hinterher bei der Analyse herausstellte, und das mag eine Boeing 767 überhaupt nicht...

Als wir aus dem Cockpit klettern, sage ich ganz versonnen zum Instruktor: "So ein Spielzeug hätte ich gern zu Hause!" - "Kein Problem!" antwortet der. "Dieser B767 300 Simulator ist noch recht neu und kostet 20 Mio. €. Aber der da hinten, der wird bald verkauft, den können Sie haben - für nur 9 Millionen..."
 

Debriefing:

Nach dem "Flug" geht es zu viert noch einmal kurz in den Briefing-Raum. Noch einmal müssen die Pässe gezückt werden - alles eine Vorsichtsmaßnahme seit 9/11 (nine-eleven, dem 11. September 2001). Noch einmal können Fragen gestellt werden. Danach füllt der Instruktor für jeden von uns dreien eine "Bescheinigung" aus - eine nette Erinnerung halt. Dazu wird das mit einer Polaroid-Kamera im Cockpit geschossene Foto hinzugefügt. Auch eine ausgedruckte  Landeanalyse wird noch erklärt.

Der Instruktor macht noch ein wenig Appetit auf "mehr", einen "Flug" mit einem Airbus z.B. oder der Boeing 747. Danach bleibt nur noch die Verabschiedung!
 

Mein Fazit:

  • Realitätsgrad: Was ich hier erlebt habe, ist ganz kurz vor der Realität. Unglaublich! Ich habe die Landung exakt so empfunden wie seinerzeit auf dem realen (!) Jumpseat des Airbus in Athen. Es ist, als hätte ich das Riesenflugzeug wirklich selbst geflogen! Das hier ist kein "Spiel" mehr! Hier verschwimmt die Grenze zwischen Spiel und professionellem Flugzeug-Training vollends. Ob man mit diesen Fähigkeiten ein solches Flugzeug (wie uns viele Action-Filme vorgaukeln wollen) tatsächlich landen könnte? Ich glaube: Nein! Dazu fehlt doch noch eine ganze Menge an Kenntnissen und vor allem Übung. Aber sich noch viel Theorie aneignen und dann noch zehnmal üben, dann ginge es - vielleicht...
  • Lernen: Verständlich - aber gleichwohl schade, dass nicht auf das individuelle Wissen aufgebaut werden kann. Wenn man sich jahrelang für das Thema "Fliegen und Simulation" interessiert, bringt man schon eine ganze Reihe von Kenntnissen mit. Aber das hier schlägt alles! Ob es die Pedale sind oder die Trimmung, die Hebel für Klappen und Fahrwerk oder das Handling eines Steuerhorns, hier versteht man viele Dinge erst richtig. Man lernt unglaublich viel.
  • Erkenntnis: So ein simpler PC-Simulator für unter 50 € ist (im Vergleich zu 2stelligen Millionenbeträgen) eine verdammt preiswerte Alternative, sich aus Spaß mit der Fliegerei zu beschäftigen. Aber er ist und bleibt - im Gegensatz zum Full-Motion-Simulator - ein "Spiel".
  • Spaß: Nicht zu vergessen - der Spaßanteil. Neben dem deutlich höheren Realitätsanteil bleibt das (gefahrlose!) Vergnügen hier nicht auf der Strecke! Schade, dass dieses Vergnügen so teuer ist und dass eine Stunde so schnell vorbei ist.

Eines noch: Das war nicht das letzte Mal, dass ich das gemacht habe!
 

 

zurück

Übersicht