Internationale Motorradausstellung in Bologna 2004


 

Allgemeines

  • Die Tore zur Messe öffnen sich um 08:30 Uhr. In Halle 30 finde ich neben Alpha Romeo auch BMW.

  • Eine vielleicht 250 m2 große Fläche ist den Motorrädern zugedacht. Auf ihr befinden sich alle aktuellen Modelle von der 650er bis zur K1200S.

  • Aber mich interessiert natürlich vor allem die R1200RT. Zwei Varianten dieses Modells hat BMW hier aufgestellt: Eine üppig ausgestattete dunkelgraue (Graphit-Metallic) RT mit Tankrucksack und Topcase und eine hellgraue (Granit-Metallic) ohne diese Add-ons. Die dritte lieferbare Farbe (Piemontrot-Metallic) lässt sich auf den großen Bildern recht gut beurteilen. Auch das Non-stop-Video, das die RT in den Bergen von Norwegen zeigt, lässt sich das Rot ganz gut beurteilen. Sieht gut aus.

  • Fazit des ersten Blicks: Ein deutlich neues Motorrad. Aber ohne irritierende "Quantensprünge", somit ist auch der Kontinuität Genüge geleistet.

  • Nach den ersten kritischen Blicken habe ich mich dann an "Antonio" gewendet, der wie viele Italiener ein gutes Englisch spricht und mich sehr nett, offen und umfangreich informiert hat.

 

Design und Äußeres

  • Der Gesamteindruck fällt bei mir sehr positiv aus: Schlank kommt sie daher, die neue RT. Ich habe es nicht gemessen, aber ich schätze, dass sie etwas schmaler ist als die alte.

  • Der große Scheinwerfer zieht den Blick sofort auf sich und lässt ihn auf Scheibe und Blinkern auslaufen. Die BMW-Niere ist kräftig ausgefallen, sie akzentuiert die Front der RT deutlicher als bisher.

  • Der Scheinwerfer ist nun ein echter Doppelscheinwerfer (der alte sah von weitem wegen des Reflektors nur so aus) und hat drei Lampen, zweimal H7-Abblendlicht außen und einmal Fernlicht zentriert in der Mitte, ganz außen noch zwei kleine Standlichter.

  • Die Verkleidungselemente sind in einzelne Flächenteile strukturiert und nehmen unterschiedliche Ebenen ein. Die Verkleidung ist unten auch offener geworden: Ein freier Blick bietet sich dem Auge auf die nun symmetrisch nach hinten verlaufenden Krümmer.

  • Die Scheibe scheint etwas größer zu sein, die Technik ist aber vergleichbar. Der Hub der Scheibe ist ebenfalls wie bei der 1150er.

  • Die Blinker haben es mir angetan. Die finde ich richtig chic. Sie sind aus "marmoriertem" (Kunststoff-) Glas und sitzen unter einer fahrzeugfarbenen Abdeckung. Allerdings das Recycel-mattgraue Kunststoffteil, das die Spiegel umrahmt, finde ich nicht so gut. Das Einheits-Grau dieser Spiegelränder ist bei allen 3 verfügbaren Fahrzeugfarben identisch.

  • Die permanente Gepäckbrücke für den Tankrucksack (so jedenfalls habe ich den BMW-Mann verstanden) ist nicht so "mein Ding". Gut, über Design lässt sich nicht streiten, aber einen Tank in Fahrzeugfarbe ohne diesen Bügel hätte ich besser gefunden. Schließlich fahre ich auch oft ohne Tankrucksack.

  • Das "Schutzblech" vorn hat noch weniger Farbe bekommen als das alte - gefällt mir auch nicht so gut. Auch hier würde mich das komplett in Fahrzeugfarbe (wie bei der K1200S) mehr ansprechen.

  • Die Bremsanlage ist der alten identisch, jedenfalls lassen sich äußerlich keine Änderungen feststellen - bis auf die stahlummantelten Bremsleitungen.

  • Die Koffer, deren Deckel sich in Fahrzeugfarbe präsentieren, wirken sehr groß. Sie sollen nach Aussage Antonios größer sein als die alten. Beim Öffnen aber scheint mir das zumindest fraglich. Ein Helm geht aber auf jeden Fall hinein.

  • Das Schloss zum Öffnen der Sitze ist wie gehabt unter dem Rücklicht. Den hinteren Sitz darf ich abnehmen, der vordere aber sitzt "irgendwie" fest, so dass ich ihn nicht sofort abheben kann. Weitere Versuche werden mir dann vom Messepersonal untersagt, schade. Ich hätte gern noch herausgefunden, ob und wie der Vordersitz verstellbar ist. Später lese ich im Prospekt, dass die Sitzposition von 780 auf 800 mm verstellbar ist.

  • Endlich ein richtiges Rücklicht. Zwar kann ich die Leuchtintensität nur im Video beurteilen, aber dort sehe ich ein kräftiges Licht. Auch das Design finde ich richtig gut gelungen, insbesondere mit den weißen Blinkern.

  • Das Koffersystem zum Abnehmen ist auch neu konstruiert. Klasse finde ich die funktionale Trennung zwischen Öffnen und Abnehmen. Es gibt nun eine kleine Klinke zum Öffnen des Koffers und einen Griff, der die Verriegelung zur Maschine löst und natürlich zum Tragen des Koffers gedacht ist.

  • Die Koffer haben nun 3 dicke Gummis zum Abstellen. Man verkratzt also nichts mehr beim oberflächlichen Hinstellen. Und noch etwas neues: Der linke Koffer hat keinen Aluminiumschutz mehr gegen die Auspuffhitze.

  • Die Verkleidung besteht aus mehreren kleinen Einzelteilen, z.B. Abdeckung Blinker, Seitenfläche am Tank und Kunststoffteile am Zylinder.

  • Warum es nun ausgerechnet drei Fahrzeugfarben gibt, und davon auch noch zweimal Grau (dabei nimmt der Trend zu Grau und Silber schon wieder ab), kann ich nicht so richtig nachvollziehen. Zwar geht der Trend wieder in Richtung "Rot", insofern ist die dritte Farbe nachvollziehbar, aber ich meine, da müsste mehr "drin" sein. Das finde ich etwas mager.

  • Die hier ausgestellten Modelle haben 2 verschiedene Sitzfarben, auf der hellen RT sind sie hellgrau, auf der dunklen RT sind sie dunkelgrau. Im Prospekt kann man aber auch schwarze Sitze erkennen.

  • Und zu guter Letzt: Der Ölstopfen ist immer noch ein schwarzes unansehnliches Plastikteil. Na gut, für Wunderlich muss ja auch noch was bleiben...

 

Technik, Motor und Fahrwerk

  • Motor und Vorder- sowie Hinterachse sind mit der GS absolut identisch. Da habe ich keinen Unterschied feststellen können. Lediglich der Teleleverarm ist deutlich filigraner geworden, das war sicherlich ein Löwenanteil bei den Beiträgen zur Gewichtsreduktion.

  • Die RT wartet auch mit einer komplett neuen Auspuffanlage auf. Die Krümmer werden nun parallel nach hinten zum Vorschalldämpfer und Katalysator geführt (in diesen beiden Strängen befinden sich auch die beiden Lambdasonden) und sind unterhalb der Zylinder durch ein Rohr miteinander verbunden (genau wie bei GS). Ich habe mich schon immer gefragt, warum die GS eine solche Verbindung hat und die RT nicht. Jedenfalls ist der Sinn des Rohrs, vor dem 4. Takt des jeweiligen Zylinders im Auspuffrohr bereits einen Unterdruck vom anderen Zylinder zu erzeugen, wodurch die Abgase mit einer höheren Speed in den Auspuff gesogen werden. Und da das alternierend in beiden Krümmern geschieht, heißt das Rohr "Resonanzrohr" oder "Indifferenzrohr".

  • Antonio erzählt mir, dass es nun auch für die RT ein "ESA" gibt, ein (auch während der Fahrt) elektronisch verstellbares Fahrwerk. Mit dieser Technik kann man nun auch bei einem Boxer das Dämpfungsverhalten der Maschine individuell einstellen. Wir kennen das ja schon von der K1200S.

  • Im Gespräch mit Antonio erfahre ich auch, dass die Maschine nun 81 kW (110 PS) hat, d.h. 15 PS mehr als meine 1150er und 20 PS mehr als die 1100er RT. Das ist begrüßenswert, denn wenn man mit diesem Bike mit 2 Personen und vollbeladen auf Reisen ist, kann man das schon mal beim Überholen sehr gut gebrauchen. Das sind übrigens auch 10 PS mehr als die GS hat.

  • Die Reifen weisen folgende Größen auf: Vorn 120/70 ZR 17 (identisch mit 1150RT) und hinten 180/55 ZR 17. Der hintere Reifen ist also breiter und flacher dimensioniert als bei der 1150er.

  • Ein interessantes Detail finde ich noch bei der Hupe. Es gibt bei der Ausstellungsmaschine 2 Hörner, eines links direkt innen an der Verkleidung und ein zweites zentriert vor dem Stoßdämpfer. Die Hörner sind also nicht mehr symmetrisch aufgeteilt (was dem Ton sicher keinen Abbruch tut).

  • Auf der rechten Seite sitzt nun aber ein neues (?) Aggregat, das aussieht wie eine Unterdruckpumpe für den Bremskraftverstärker. Da bin ich aber nicht sicher. Ob BMW das unangenehme Surren der Bremse abgestellt hat, kann ich hier auf der Messe leider nicht feststellen.

  • Noch etwas fällt mir auf: (Fast) alle Schrauben sind Torx-Schrauben, auch das Schutz"blech" oder die Kofferbrücke. Ja sogar neuerdings (wie bei der K1200S) die Radschrauben. Hier frage ich die Firma BMW allen Ernstes nach dem Zweck: Soll hier verhindert werden, dass einzelne Teile schnell mal abgeschraubt (sprich: geklaut) werden? Oder widersetzt sich die Firma hier der Schraubermentalität der Motorradfahrer? Im letzten Falle kann ich nur sagen: Wenn dieser Schuss mal nicht nach hinten losgeht!? Denn wer schrauben will, der tut es auch. Nur dass er sich nun über BMW ärgert, da er sich teilweise neues Werkzeug kaufen muss.

  • Die Zylinderkopfdeckel sind wie bisher auch aus hellem Magnesium, während die Zylinder selbst einen schwarzen Anstrich bekommen haben. Das sieht sehr gut aus.

  • Das Ventil vorn ist (wie bei der K1200S) quer zur Fahrtrichtung in einer Felgenstrebe angeordnet. Man kann es im Prospekt deutlich erkennen. Hinten sind die Reifenventile konventionell (radial) angeordnet. 

  • Auch bei den Bremsen gibt es neues zu melden: BMW kehrt dem Vollintegral wieder den Rücken! Fast bin ich geneigt zu sagen: Na also, warum nicht gleich! Aber ich habe in den letzten 3 Jahren auch gute Erfahrungen mit meiner Vollintegralbremse gemacht: Speziell beim unerwarteten, plötzlichen und harten Bremsmanöver ist der Fuß einfach schneller als die Hand - denn ich habe zwar immer den Zeigefinger auf dem Handbremshebel, aber bei einer harten Bremsung reicht dann die Kraft nicht aus - und wer hat schon immer (!) alle 4 Finger am Bremshebel? Ansonsten kann ich dieser Entscheidung nur beipflichten.

 

Cockpit

  • Die Sitzposition der Maschine ist der der 1150er sehr ähnlich. Meine Oberschenkel kann ich etwas enger anlegen, was darauf hindeutet, dass es am Tank etwas schmaler zugeht.

  • Die Spiegelgröße hat sich verändert, um es wertneutral zu sagen. Sie sind horizontal kürzer und vertikal länger geworden. Auf einer Messe kann man das nicht gut beurteilen, aber ich fürchte, dass dadurch das Sichtfeld im Spiegel kleiner geworden ist. Gerade dieses Feature fand ich bei der RT immer herausragend gut gelöst. Hier muss man auf eine Probefahrt warten, um eine fundierte Wertung abzugeben.

  • Komplett neu ist das elektronische Cockpit. Zwei große Rundinstrumente (Tachometer und Drehzahlmesser) und genau dazwischen ein LCD-Info-Screen mit diversen Informationen wie Km, Tages-km, Tankanzeige, Oltemperatur, Radiosender, Uhrzeit. Auch die schon "historisch" zu nennende Tachowelle sucht man an diesem Motorrad vergeblich. Das ist soweit alles so, wie ich es von einem modernen Motorrad erwarte. Das "Grau" der Rundinstrumente und insbesondere die Plastikabdeckung des gesamten Instrumentenblocks sieht in meinen Augen allerdings nicht so ansprechend aus. Hier hatte ich eigentlich erwartet, dass es so (ähnlich) aussieht wie bei der LT - na gut, vielleicht gewöhnt sich mein Auge noch daran. Zwei Knöpfe gibt es noch, zur Rücksetzung des Tages-km-Zählers und zum Einstellen der Uhrzeit. Allerdings beleuchtet sieht das Cockpit sehr gut aus. Das entnehme ich den Bildern des Prospekts, Bilder siehe unter "Prospekt".

  • Der Gewichtsreduktion von 20 kg ist übrigens auch der Ständergriff zum Opfer gefallen. Dem trauere ich keinesfalls nach, er war ohnehin oft Anlass für das eine oder andere Witzchen. Dafür gibt es nun eine Gepäckbrücke hinten, an deren beiden Seiten sich ein ausladender "Bogen" befindet, den man als zweite Griffmöglichkeit nutzen kann. Ob das praktischer ist und wie die Hebelwirkung des Hauptständers das Aufstellen unterstützt, kann ich hier leider nicht feststellen.

  • Interessant ist noch das Fach mit dem Audiosystem: Es ist weiterhin natürlich abschließbar, aber nun ohne Schlüssel per Druckknopf zu öffnen. Das finde ich praxisorientiert, insbesondere für "Nicht-Motorrad-Radiohörer" wie mich, die das als Staufach nutzen und schon mal bei laufendem Motor das Fach öffnen wollen. Bisher habe ich oft einen zweiten Schlüssel dort hineingesteckt.

  • Wie bisher auch gibt es zwei 12V-Anschlüsse, einen vorn unter dem linken Lenkergriff, und einen hinten links zwischen der Kofferecke, der Brücke und dem Blinker. Das ist ebenfalls eine Verbesserung, denn wenn schon zwei 12V-Plugs, dann bitte nicht unmittelbar nebeneinander (wie bei der 1150er RT).

  • Einem Praxistest vorbehalten bleibt noch die Konstruktion, das Staufach (falls man kein Radio hat) auf der rechten (!) Seite des Bikes zu platzieren. Also ich steige immer links ab, der Seitenständer ist ebenfalls links, warum ist das Fach dann rechts? Aber gut, vielleicht kann man ja trotzdem gut hineinschauen - man wird sehen.

 

Sonderausstattungen und Informationen aus dem Prospekt

  • Zwei unterschiedlich große Topcase sind nun im Angebot: 28 Liter hat das kleine und 49 Liter das große. Letzteres macht von außen einen sehr voluminösen Eindruck, aber wer mit viel Gepäck unterwegs ist, wird das sicher begrüßen. Natürlich muss man dann von den Fahreigenschaften Abstriche machen, denn die Schwerpunktverlagerung ist schon immens. Auch die 1150er RT lupft schon mal beim flotten Anfahren das Vorderrad. Nicht zu vergessen: Das Rückenpolster ist sowohl größer als auch etwas dicker ausgefallen.

  • Eine weitere Neuerung ist die (im Vergleich zur alten) lange Aufpreisliste, als da wären:
    - CD-Radio
    - Navigationssystem
    - Diebstahlwarnanlage
    - weiße Blinker
    - Integrierte Wegfahrsperre
    - Bordcomputer
    - ESA
    - 2 unterschiedliche Topcase-Varianten
    - Zylinderschutz
    - Kofferinnentaschen
    - Tempomat
    - Stufenweise regulierbare Sitzheizung
    - vermutlich habe ich nicht alles behalten und aufgeführt...

  • Die Verbrauchswerte haben mich sehr überrascht: 3,6 l/100km bei konstant 90 km/h und 4,8 l/100km bei konstant 120 km/h. Das kommt mir, vor allem wegen der höheren Leistung, sehr akzeptabel vor.

  • Dem Prospekt entnehme ich auch, dass das elektrische Netz nun mit der "CAN"-Bustechnik arbeitet. CAN steht für "Controller Area Network". Das ist eine Datenübertragungstechnik für Realzeitanwendungen, bekannt aus dem Automobilbau. Sie ermöglicht Datentransfers bis zu 1Mbit/s. Der Hauptvorteil besteht darin, dass alle am Bus "hängenden" Sensoren simultan auf den Steuerungsprozessor zugreifen können. Das macht diese Technik so schnell und so effizient.

 

So, das wär's für den Anfang, mehr habe ich im Moment nicht. Ich hoffe, Ihr könnt damit etwas anfangen!

Viele Grüße,
HerbeRT

 

 

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