HerbeRT's Fahrbericht: R 1200 RT


Meine erste Begegnung mit der R 1200 RT im Dezember 2004 in Bologna

 

Schon seit Beginn der 2005er Saison hatte ich eine ausführliche Probefahrt der 1200er RT auf meiner Agenda stehen. Ich hatte auch schon zweimal einen festen Termin vereinbart. Aber in beiden Fällen kam etwas wichtiges dazwischen. Dann kam die Urlaubszeit... - wie das halt manchmal so ist.

Aber am Samstag, dem 23.07.2005 hat es endlich geklappt. Für eine 3-Stunden-Eifelrunde "gehörte" mir eine gut ausgestattete RT der Bonner BMW NL. Dabei betone ich, dass es meine persönliche Bewertung ist, und ich erhebe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Themen wie Licht, Kofferhandling, Nässeschutz, Sitz- oder Griffheizung bleiben hier außen vor. Ich beschränke mich auf das, was ich sozusagen "auf Anhieb" festgestellt habe: 

 

Motor und Getriebe

  • Der Motor klingt sehr voluminös, das merkt man schon gleich beim Anlassen, er klingt auch ein klein wenig anders als meine 1150er.
  • Kein Choke mehr - tolle Sache. Motor läuft sofort rund, sowohl kalt als auch warm, nur die Leerlaufdrehzahl im warmen Zustand erscheint mir mit gut 1100 upm etwas zu hoch.
  • Der Motor dreht leicht und willig bis 8.000 upm, hat aber ab ca. 4.000 dieselben Vibrationen wie meine 1150er. Der Boxer ist "rau" wie erwartet, aber meine 1100er von 1999 hatte eindeutig weniger Vibrationen! Der 1. Gang zieht die RT bis 90 km/h, danach setzt der Begrenzer ein. Die Mehrleistung von 15 PS ist sofort und in jedem Drehzahlbereich spürbar. Das Motorrad ist deutlich agiler als meine 1150er.
  • Das Getriebe ist nochmals eine eindeutige Verbesserung. Es "knallt" die Gänge nicht hinein, es ist wirklich vernehmbar leiser, dank schräg verzahnter Getrieberäder. Die Schaltgeräusche sind äußerst gering, auch der 6. Gang bildet da keine Ausnahme. Allerdings ist der 6. Gang auf der Landstraße eigentlich gar nicht mehr nötig. Ich habe ihn jedenfalls in der Eifel nicht gebraucht, nur zum Ausprobieren.
  • Ein Punkt noch zum Handling: Ich komme beim Hochschalten etwas schlechter unter den Schalthebel - das ist aber sicher einstellbar.
  • Das Drehzahlniveau spielt sich etwa 1000 upm höher ab als bei meiner 1150. Das hat durchaus Vorteile: Durch den größeren Drehzahlbereich empfinde ich das Anbremsen der Kurven eleganter, da das Schalten häufiger fehlen kann.
  • Die Bremsanlage ist ebenfalls eine Wucht: Beißt richtig zu bei perfektem Geradeauslauf, kein Zittern oder Ausbrechen. Aus Tempo 50 km/h sind 6 Meter Bremsweg kein Problem. Man muss sich nur trauen, die Bremse richtig durchzuziehen.
  • Das Teilintegral begrüße ich sehr, es ist ganz klar spürbar. Das sanfte Bremsen nur mit dem Hinterrad vermisse ich manchmal bei meiner Maschine. Das ABS spricht fein an, man spürt es aber. Die Bremswirkung ohne Zündung habe ich leider zu testen vergessen.
  • Der Verbrauch hat mich positiv überrascht. Trotz flotter Fahrweise kam ich nicht über 6,4 Liter auf 100 km hinaus. Bei langsamer Fahrt waren es sogar nur 4,5 Liter. Dabei kam die Reserve-Anzeige schon bei einer Reichweite von 100 km - das ist OK, finde ich, lieber etwas früher als zu spät.

 

Fahreigenschaften

  • Hinsetzen und Losfahren. So ist die RT. Insbesondere dann, wenn man sie gewohnt ist. Die 1200er hat zwar eine total andere Sitzposition: Sie ist deutlich höher und auch weiter nach hinten, trotzdem habe ich mich sofort "heimisch" und wohl gefühlt. Allerdings kann ich mit meinen 1,80 m Größe auf der untersten Stufe der Höhenverstellung nicht beide Füße ganzflächig auf den Boden setzen. Was machen da bloß die Leute mit 170 cm Körpergröße?
  • Als ich die Höhe verstellen will, merke ich, dass der Mechanismus von 3 auf 2 Rasten verringert wurde, eigentlich unverständlich.
  • Schade, mein Vorurteil aus dem Dezember 2004 bzgl. der Spiegel hat sich bewahrheitet. Wie schon "theoretisch" befürchtet, sind die Spiegel dem Designer zum Opfer gefallen. Sie sind eindeutig zu hoch und zu schmal. Fast die Hälfte der Sichtfläche nehmen Hand und Griff sowie die Koffer weg. Das müsste nicht sein.
  • Das Geräusch der elektrischen Hydraulikpumpe scheint etwas leiser geworden zu sein. Man kann wieder ohne Aufsehen zu erregen bremsend an der Ampel stehen.
  • Das Bremsen in der Kurve entpuppt sich als deutlich angenehmer, da das Aufstellmoment nicht mehr so kräftig ist. Man muss also weniger "arbeiten".
  • Die automatische Feder-Dämpferverstellung "ESA" ist eine feine Sache. Sie lässt sich während der Fahrt in drei Stufen verstellen: Comfort, Normal und Sport. Allerdings sind die Unterschiede in den einzelnen Einstellungen nicht so klar spürbar, wie ich erwartet hatte. Selbst zwischen Comfort und Sport ist die Differenz nicht so groß, dass ich die eine als "hart", die andere als "weich" bezeichnen würde.

 

Cockpit

  • Als erstes fällt mir die Lichtspiegelung auf der großen Abdeckscheibe der Instrumente auf. Das ist mindestens gewöhnungsbedürftig. Zwar spiegeln die beiden Rundinstrumente der 1100/1150er auch, aber durch die kleinere Fläche empfinde ich das nicht so störend. Auch das Vibrieren der Spiegel hat BMW leider nicht in den Griff bekommen. Ich kann nicht glauben, dass das so schwer ist.
  • Der BC ist eine feine Sache, wenn auch mit dem Daumen nur mühsam bedienbar. Das LCD-Display ist besser ablesbar als die beiden Rundinstrumente. Periodisch einstellbar pro Knopfdruck sind: Reichweite - Durchschnittsgeschwindigkeit - Verbrauch - Öl - Außentemperatur
  • An den fehlenden Lichtschalter gewöhnt man sich schnell. Insbesondere deshalb, weil das Licht erst angeht, wenn die Lichtmaschine auch Strom liefert. Das nenne ich eine innovative Lösung. So erwarte ich das von einer Firma wie BMW.
  • Die metallische Bremsleitungen fügen sich gut ein und stören das Blickfeld nicht.

 

Reifen

  • Die Vorführmaschine ist mit Dunlop-Reifen ausgestattet. Die hatte ich auch schon mal und war auch seinerzeit nicht begeistert.
  • Sie sind nicht besonders griffig. Trotz trockener Straße bin ich beim kräftigen Beschleunigen aus der Kurve hinten weggerutscht.

 

Windschutz

  • Der Windschild bietet genügend Schutz. Die Scheibe ist schmaler, aber deutlich höher. Ich spüre keinen wesentlichen Unterschied zur 1100/1150er.
  • Der kleine V-Einschnitt in der Mitte der Scheibe ist gar nicht schlecht, er bietet etwas mehr Sichtfreiheit.

 

Sonstiges

  • Das Abstellen auf dem Hauptständer ist auch ohne den obligatorischen Griff sehr gut.
  • Der Gepäckträgerbogen dient als Griff, die Hebelwirkung im Fuß scheint noch etwas kräftiger geworden zu sein.
  • Der Schwerpunkt der Maschine liegt wesentlich weiter vorn als bei der 1150er. Hierin sehe ich aber (außer zum Putzen) keinen Nachteil.
  • Die elektronische Wegfahrsperre (EWS) ist zum integralen Bestandteil des modernisierten Bordnetzes geworden. Die Handhabung ist trivial: Zündschlüssel abziehen, den "Rest" macht die Elektronik: Abschaltung von Kraftstoffeinspritzung und Zündung. Beim nächsten Start vergleicht der Chip im Schlüssel seine Daten mit denen der Motorsteuerung. Nur bei Übereinstimmung kann das Motorrad wieder gestartet werden. Sehr gute Lösung.


Mein Fazit

  • Die R 1200 RT ist eine "echte RT". Man erkennt viele gute Eigenschaften der 1100/1150er wieder, aber viele Dinge sind noch ein bisschen besser geraten.
  • Vor allem stärker und leichter - beides ist nach ein paar km spürbar.
  • Den größten Fortschritt sehe ich bei Motor und Getriebe.
  • Tja, und das Design? Nur ein Wort: Geschmacksache. Ich finde es nicht schlecht, aber so richtig gut auch nicht. Vor allem bin ich unsicher, ob die Designer jemals ein solches Motorrad geputzt haben...

 

Herzlich, HerbeRT
am 31.07.2005

 
 
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